Bestellungen nach Irgendwo
Rolf Birkholz
Auch "der väterliche Kittel der jungen Frau" in der Apotheke tröstete nicht, "die sauberen, gepflegten Hände, / die der Form halber Bestellungen aufschrieben / und listenweise nach Irgendwo abhefteten" ("Die Wand"). "Das Irgendwo war unser besseres Land", in das man durch "den Geburtskanal" gelangen würde, "vermutlich morgen". Die Stimmung im nach Erzählungen und Romanen ersten Gedichtband von Matthias Nawrat, Gebete für meine Vorfahren, ist verhalten melancholisch.
Wie auch nicht, wenn die Vorfahren der Gebete bedürfen? Die Ahnen, die sich "in unterirdischen Kirchen" versammelten ("Woher ich komme"), sie "suchten tief, aber die Suchbegriffe waren falsch, stapelten sich auf, schwarz verdichtetes Gestein". Dann: "Meine Vorfahren schleppten sich in Reihen, / stiegen zu ihren Wohnungen hinauf", schleppten sich "in die Windungen hinein" ("Meine Vorfahren"). Oder: "Die Geschichte ist eine Treppe, / die im Schneckenhaus / hinabführt" ("Das Treppenhaus"). Einmal steckt die Mutter zwischen ihrem Vater im Keller und dem Sohn auf dem Dach "fest im Treppenhaus / beim Aufstieg zu sich selbst" ("Meine Mutter").
"In Reihen bewegen sich meine Vorfahren auf Knien", heißt es weiter, ihr Tempo ist die "Kniegeschwindigkeit". Sie sind fleißig, fallen aber "nicht aus der Wiederholung raus." Grau bis schwarz erscheint die in die Gegenwart reichende Vergangenheit ("Ich komme aus den Wäldern von Turawa, / wo die Knochen im Boden liegen / als ewige Liste, von der meine Großmutter eine Abschrift aufbewahrt") in Nawrats oft der Prosa nahen Gedichten mit gleichwohl eigenem poetischem Gewicht. In "Fahrt über Land" nimmt der Autor mit auf eine anschaulich-eindringliche Tour, in "Hitze im August" zugleich auf eine Nach-Fahrt des Nachfahren.
Auch ein Gebet könnte ja als eine entfernte Art von Bestellung verstanden werden, wenngleich mit noch weniger, ja gar keinem Recht auf Lieferung. Den Leser wiederum beliefert Matthias Nawrat mit seinen Gedichten, und das nicht schlecht. |