Wir brechen die Tage wie Brot
Rolf Birkholz
Schon ihren ersten Gedichtband, Gegen acht im Park (2020), hatte Ursula Maria Wartmann mit Grafiken eines niederländischen Landschaftsmalers aus dem 17. Jahrhundert illustriert. So hat sie es auch in ihrer zweiten Sammlung gehalten. Am Ende der Sichtachse ist mit Landschaften von Gillis van Scheyndel bebildert. Auch sie werten das Buch auf, lassen zur Lektüre in vergangene Zeiten eintauchen. Doch Vorsicht: Wartmanns Lyrik ist überwiegend hellwach gegenwärtig.
Aber sie haut nicht auf die Pauke, ihre Verse ziehen wiederum in meist zügigem, mitunter auch leicht stauendem Fluss gezielt gebrochener Zeilen durch die Gedichte. "Tage so sonnenwarm" etwa lässt Zeiten am Meer wieder aufscheinen, wo sie das "hungrige Herztier / hinter dem Rippenbogen grasen" spüren: "so / sonnenwarm sind wir wir / brechen die Tage wie Brot."
Das Brot-Bild taucht noch einmal ganz anders, umfassender auf: "Wir teilen den Trost der Gebete / wie Brot zerdrücken wir Worte / unter dem Gaumen / schmecken das Bittere / Wahre des Lebens." So einfühlsam, dabei ganz ohne falsche Süße wie hier ("Trost") ist der Kommunionempfang, die Hostie im Moment zwischen sinnlicher und geistiger Wahrnehmung wohl selten erfasst worden. Aber krass dagegen gesetzt ist in "Denken an Knaben" ein Kleriker, der "verdaut / den Leib des Herrn". Und "Hinten im Kirchenschiff" klingen die emotionalen "Glutströme" eines offenbar durch einen Priester Geschädigten an.
Ursula Maria Wartmanns Themenpalette ist freilich viel umfangreicher. Um frühe Liebe und Lebensendsorgen geht es, um die bedrohte Natur ("die Krankheit der Fichten in / Excel-Tabellen die Stämme / die Borken die prallen / Körper der Käfer") wie auch die einfach nur belebende ("Kartoffelernte"). Die Queen wird beim Begräbnis ihres Gatten beobachtet. Oder der Blick fällt in kalter Nacht auf ein Altenheim, dort "brennt noch / die Lampe hängt tief über / dem langsamen Tod der greisen / Diva all den Fotos und Briefen und / dem Triumph ihres heißen / des unnachgiebigen Lebens." Das einzelne Leben vom Leben an sich umgeben. |