Land und Leben
Rolf Birkholz
Der "Vorhang/ dünn geworden", die Erde "unter unseren Wurzeln" gibt nach: "Durch unsere Zweige/ schimmert / die blanke Klinge/ des Himmels". Mit wenigen Wörtern deutet Angelica Seithe in ihrem Gedicht "Im Blätterfall" eine Veränderung an, etwas leicht Bedrohliches, aber eingebettet im Naturkreislauf. Gefühle mit Naturbeobachtungen zu verbinden, ist die Stärke ihres Bandes Regenlicht. Gleich darauf sind die Aussichten besser, führt an einem Schneetag "Gegen die Sonne ein Weg/ mit Silber ausgelegt". Einmal schwirrt das dichterische Ich im "Hummelglück" über Wiesen, dann spiegelt es sich in einer Hallig, der mit den Jahren das Meer zusetzt, es "fraß und fraß mir/ Land aus dem Leben". Immer wieder gelingen der Autorin zarte Verzahnungen von Naturbildern und Stimmungen. In "Gezeiten der Liebe" betrachtet sie das sich im Sandstrand abzeichnende Wechselspiel zwischen Ebbe und Flut. Oder sie spürt "Auf tintentraurigem Meer vor/ schwarzer Wolke" ein weißes Segel als "Glück in die Herzbucht" gleiten.
Ja, sie segelt vielleicht auch ein wenig an der Kitschküste entlang, aber zu dieser wahrt Angelica Seithe doch sicheren Abstand. Dazu trägt bei, dass sie gelegentlich "Waschtag für Gedichte" hält: "die Gedanken in die Strömung hängen / sie fast vergessen und dann/ den Einfall farbig aus den Fluten ziehen". So erkennt sie die "Botschaft der Sonnenblumen" auch nach deren Verblühen: "Ein Ölkännchen Erinnerung / verborgene/ Glut zu entzünden". Und in "Winterbild" erscheint ihr die halb im Nebelwald steckende Sonne als "die kalte Oblate/ Unsterblichkeit". "Zuneigung" schließlich beschreibt sie als Ort, an den das Licht fällt "durch die Zweige großer stehen gebliebener / Worte" - die noch die Himmelsklinge bannen. |