Jahrmarkt der PeinlichkeitenGerald Fiebig
Seit einem knappen Jahrzehnt begleitet Marc Degens
als Kritiker und Herausgeber des Onlinemagazins satt.org
das literarische Geschehen. Seine eigenen belletristischen Arbeiten
standen meist im Schatten dieser Aktivitäten. Einem größeren
Publikum wurde er 2005 mit Unsere Popmoderne bekannt: In
diesen Parodien auf typische Schreibweisen der Gegenwartsliteratur
zeigte sich der differenzierende Literaturkritiker Degens von
einer vergnüglich boshaften Seite.
Mit Hier keine Kunst legt Degens nun seinen ersten Roman
vor. Schon der Titel lässt vermuten, dass es sich um einen
Meta-Roman, um eine literarisch formulierte Reflexion über
das literarische Kunstwerk handelt - der programmatisch zu nennende
Untertitel Fast ein Roman verstärkt den Verdacht.
Auch Hier keine Kunst arbeitet mit Parodien verschiedener
literarischer Genres - allerdings fungieren sie als Belege, dass
der Wunsch des Ich-Erzählers, Schriftsteller zu werden, mangels
Talent (und vor allem aus Faulheit) zum Scheitern verurteilt ist.
Obwohl von einem Wunsch eigentlich nicht gesprochen werden kann.
Vielmehr klammert sich der namenlose Erzähler (der durchaus,
wie der Proustsche Marcel, den gleichen Vornamen tragen könnte
wie sein Autor) an den chimärenhaften Lebensentwurf des Schriftsteller-Werdens,
nachdem ihm bis zum Alter von 32 Jahren der Schritt in auch nur
irgendeine Form von Erwachsenendasein nicht gelungen ist: Nach
einem missglückten Versuch, nach Berlin zu ziehen, lebt der
"Held" wieder bei seinen Eltern, denen er seit Jahren
erfolgreich verheimlicht, dass sein von ihnen finanziertes Studium
nie stattgefunden hat.
Man muss es wohl Marc Degens' stilistischer Raffinesse zuschreiben,
dass man diesen Roman mit seinem geradezu grotesk unsympathischen
Protagonisten mit großem, bisweilen verquältem Gelächter
liest. Für den in Westdeutschland sozialisierten Leser hat
das auch damit zu tun, dass man in der peinlichen BRD-Provinz
der achtziger Jahre - die Zeit der Pubertät, in der der Erzähler
hängengeblieben ist - auch Aspekte der eigenen Biografie
wiedererkennt. Fazit von Degens' nur leicht überzeichnetem
Gruselkabinett von Drögheit und Tristesse der Bonner Republik:
Auch die BRD hatte 1989 den Untergang verdient. Kein 80er-Revival
sollte uns darüber hinwegtäuschen!
Strukturell funktioniert das Buch so, als hätte John Waters
die Ausgangssituation der Suche nach der verlorenen Zeit für
einen Film verwendet. In der Hauptrolle: Hermes Phettberg. Aus
dem Kontrast heraus gibt sich Degens' Roman als eine lustvolle
Breitseite gegen verklärende Nabelschauprosa à la
Generation Golf zu erkennen, indem er deren Sujet als ästhetisch
nicht satisfaktionsfähig entlarvt. Einen schalen Witz auf
anderer Leute Kosten macht Degens damit nicht, ironisiert sein
Buch doch auch das eigene literarische Tun und Trachten. Und Selbstironie
ist ja bekanntlich in jeder Kunstform eine viel zu seltene Qualität.
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