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Rezensionen

Peter Böthig: Christa Wolf. Eine Biographie
 

Für den Fanclub
Jürgen P. Wallmann

Ob Christa Wolf, wie ihr Verlag kürzlich zu ihrem 75. Geburtstag behauptete, "die bedeutendste deutschsprachige Autorin der Gegenwart" ist, darüber ließe sich trefflich streiten. Unbestreitbar aber ist, dass sie mit Prosabüchern wie Nachdenken über Christa T. oder Kein Ort. Nirgends sowie mit Essays und Reden einst in der DDR ähnlich wichtig war wie Heinrich Böll in der alten Bundesrepublik. Die Bücher beider spiegelten, kommentierten und kritisierten, wenn auch auf ganz verschiedene Weise, die Entwicklungen in ihren jeweiligen Staaten, beide waren, ob sie das nun wollten oder nicht, Gewissensinstanzen und Identifikationsfiguren. Groß war allerdings die Enttäuschung, als 1993 herauskam, dass die weithin als untadelige Moralistin verehrte Christa Wolf, linientreues SED-Mitglied, von 1959 bis 1962 als Inoffizielle Mitarbeiterin dem Staatssicherheitsdienst Spitzeldienste geleistet und über Kollegen Berichte geliefert hatte. Auch wenn ihre Erklärung glaubhaft erschien, sie habe diese frühe Kooperation mit dem Geheimdienst verdrängt, so blieb doch die Peinlichkeit, dass hier eine Schriftstellerin versagt hat, die immer dezidiert gegen das Vergessen angeschrieben und in ihrem Roman Kindheitsmuster geklagt hatte: "Heftig vermißt wird die Gattung: moralisches Gedächtnis."
All das aber scheint mittlerweile vergessen zu sein. Heute erstrahlt das Bild der Christa Wolf in scheinbar ungetrübtem Glanz. Eine dreizehnbändige Werkausgabe liegt inzwischen vor, dazu seit 2002 eine respektvolle 500-Seiten-Biographie. Lesungen von ihr, vor allem in den neuen Bundesländern, ähneln Weihestunden, von denen sich das Publikum (oder sollte man sagen: die Gemeinde) Trost und Weisung erwartet. Günter Grass sagte, er hätte seinen Nobelpreis am liebsten mit ihr geteilt. Und schon vor zehn Jahren erklärte der Wittenberger Pfarrer Schorlemmer: "Ich sage oft 'Christa Wolf hat gesagt', so wie ich sagen würde 'Christa dixit'." Was der Wolf-Biograph Jörg Magenau sarkastisch kommentierte: "Die Heiligsprechung stand kurz bevor."
In diesem Zusammenhang der Beweihräucherung einer Schriftstellerin ist auch das neueste umfangreiche Buch zu sehen, das der Luchterhand Verlag zum 75. Geburtstag seiner Autorin vorgelegt hat. Peter Böthig hat diese "Biographie in Bildern und Texten" herausgegeben, aus der den Leser gleich im Vorwort ein kräftiger Hauch von einstiger DDR-Terminologie anweht: Vom "deutschen Faschismus" etwa ist die Rede, wo der Nationalsozialismus gemeint ist ( - das Wort war in der DDR tabu - ), von der "Hegemonie des Kapitals" oder von "der Partei", womit nach alter Weise die SED gemeint ist (- dabei gab es sogar in der DDR noch andere Parteien).
Das gesamte verquaste Vorwort sowie der Klappentext, in dem es u. a. wahrheitswidrig heißt, Christa Wolf habe "weder im Literarischen noch im Politischen" Zugeständnisse gemacht, bereitet auf ein Bilderbuch vor, das weniger mit einer ernst zu nehmenden Publikation und mehr mit einem Album für Christa Wolf-Verehrer zu tun hat. Viele Bilder stammen aus dem privaten Archiv der Familie Christa und Gerhard Wolf, und so können wir anhand von vielen hundert Schwarz-Weiß-Fotos den Lebenslauf der Heldin verfolgen. Also: die kleine Christa als Baby, dann das Schulkind, die Konfirmandin, Verlobte, Studentin, Ehefrau, Mutter, zum Schluss dann die stolze Großmutter im Kreis der Kinder und Enkel. Daneben, seit 1953, die Bilder aus dem Berufsleben der Schriftstellerin: Autorentreffen, Signierstunden, Kongresse, Reproduktionen von Buchumschlägen und Manuskriptseiten, Begegnungen mit prominenten Kollegen. Sämtliche Texte, die zusätzlich zu den Bildlegenden abgedruckt wurden, sind Zitate aus früheren Publikationen von Christa Wolf, von der es hier also nichts Neues zu lesen gibt. Wirklich neu sind dagegen die meisten Bilder.
Deren Auswahl und Kommentierung freilich ist höchst tendenziös, wobei offenkundig mit der Gutgläubigkeit, Unkenntnis oder Vergesslichkeit der Betrachter gerechnet wird. Kein Foto beispielsweise zeigt Christa Wolf zusammen mit dem Literaturfunktionär Hermann Kant, mit dem sie einst viel zu tun hatte und der inzwischen als übler Stasi-Denunziant entlarvt ist. Kein Bild von Reiner Kunze ist zu sehen, mit dem das Ehepaar Wolf einst befreundet war und dem gegenüber die beiden es später an Solidarität fehlen ließen. Und dass Hans Marquardt nur als Leiter des Reclam Verlags Leipzig bezeichnet wird, nicht aber als hauptamtlicher Stasi-Mitarbeiter (was heute schon in Lexika steht), ist ein weiterer unter den vielen Mängeln dieses Bilderbuches.
Stattdessen kann man sehen: Christa Wolf beim Lesen, Christa Wolf beim Reden, Christa Wolf an der Kaffeetafel, Christa Wolf am Schreibtisch, Christa Wolf beim Telefonieren ( - davon allein acht Fotos auf einer Seite). Wie gesagt: Ein Album für den Christa Wolf-Fanclub, für den Bücherleser aber ohne Belang.

 

Peter Böthig (Hrsg.): Christa Wolf. Eine Biographie in Bildern und Texten. 224 Seiten. 300 Fotos. Luchterhand. München 2004. € 35,00.