Vom Tage
Rolf Birkholz
Ans Wasser gehen. "Im Wasser stehen die
Sätze, / im Flusse des rauschenden Bachs dieses klare Gedicht."
Verse wie diesen, einen der anmutigsten seines Bandes Die Farben
des Wassers, bringt Uwe Kolbe fast feucht noch zu Papier ("Wo
gehe ich hin").
Der Autor weiß um die Flüchtigkeit des Elements und
spricht diese Eigenschaft, die sich ungünstig auf seine Gedichte
übertragen könnte, auch an. Er weiß von "dem
eilenden, zerrenden Abbild, / dem schwankenden, vielfältigen
Bilde", das der Bach spiegelt ("Wenn nun die Welt").
Deshalb sucht er auch ("Am Blautopf einmal"), der Sage
von der "schönen Lau" nachsinnend in die Tiefe
zu dringen, wo andere, "Henker des Sehens, / Henker des Ahnens,
nette Leute", mit dem Anblick eines Erpels sich begnügen,
der farblich so gut zur Wasseroberfläche passt.
Überdies freilich grundiert Uwe Kolbe, der 1957 geborene
Berliner in Tübingen, seine schnell trocknenden lyrischen
Wasserfarben manchmal mit schwer zu entschlüsselnden Passagen.
Zu dieser dann eher privaten Tonlage fügt sich, dass jeweils
Entstehungstag und Ort (Straße) angeführt werden.
Vorangestellt sind der Sammlung Zeilen Eduard Mörikes über
die Wasser, die noch im Schlafe fortsingen "vom Tage / Vom
heute gewesenen Tage" ("Um Mitternacht"). Kolbes
Buch enthält Gedichte vom Tage, auch solche wohl, die "aus
Zufall Unendliches unter dem heutigen Datum" vereinen. So
vergleicht er selbst einen langen Blick aufs Wasser mit einem
in die Tageszeitung ("Beim Zeitunglesen").
Nicht zufällig hingegen steht eines der treffendsten Gedichte
des Buches auf dem Schutzumschlag. "Der Hochsitz" vermittelt
knapp den Eindruck von Höhe, den man angesichts eines solchen
Jägersitzes gewinnt. Der Blick wird dabei die Sprossen hoch
gelenkt: "Auf deren letzter oben / zwei Füße in
Sandalen." Weit weg vom Wasser.
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