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Scherz
Andrew Gross
Pulp Master
Rick DiMarinis
Pendragon
Mechtild Borrmann

 
Mord & Totschlag 54
Die Krimi-Kolumne von Joachim Feldmann
 

Benjamin Raab handelt mit Gold und verdient nicht schlecht dabei. Ein großes Haus in bester Lage und ein schicker Sportwagen zeugen davon. Dummerweise gehört zu seinen besten Kunden ein kolumbianisches Drogenkartell. Und eines Tages hat ihn das FBI wegen Geldwäsche am Wickel. Für seine Familie bricht eine Welt zusammen. Vor allem Kate, die älteste Tochter, weiß nicht mehr, was sie von ihrem Vater halten soll. War er nur naiv, als er sich mit gefährlichen Gangstern einließ, oder wusste er genau, was er tat?
Und weil in Andrew Gross' Thriller Blut und Lüge nichts so ist, wie es zunächst scheint, fällt die Antwort auf diese Frage ganz anders aus, als es sich Kate jemals hätte ausmalen können.
Der Autor hat nämlich einen ziemlich raffinierten Plot erdacht, der zeitweise sogar dabei hilft, seinen eher hausbackenen Erzählstil zu ignorieren. Das ist allerdings auch bitter notwendig, denn schlichte Sätze, deren Funktion sich weitgehend in der Wiedergabe einer Handlung erschöpft, bereiten gewöhnlich kein großes Vergnügen. Regelmäßig scheitert Gross daran, wirkliches Interesse für seine Protagonisten zu wecken. Wenn er versucht, existenzielle Krisen angemessen zu illustrieren - "Ihr war, als versinke mit dem Bahnsteig auch ihre ganze Vergangenheit in der Finsternis" -, wirkt das wie eine bloße Behauptung. Deshalb stört es auch nicht weiter, wenn Kate am Ende des Romans all die furchtbaren Erlebnisse, die uns in Spannung halten sollen, offenbar locker verarbeiten kann. Nun gut, "irgendwie" ist sie "traurig", aber ansonsten steht einem zünftigen Happy End nichts im Weg.
Organisierte Drogenhändler geben auch in Rick DeMarinis' ebenso komischem wie finsterem Kriminalroman Kaputt in El Paso die Bösewichte. Aber damit endet auch schon die Liste der Gemeinsamkeiten zwischen der Konfektionsware des angehenden Bestsellerproduzenten Gross und einem Meisterwerk des Genres, wie es DeMarinis, der laut Verlagsinformation mit über 70 noch auf seinen "Durchbruch als Schriftsteller" wartet, verfasst hat. Hauptfigur des Romans ist der ehemalige Bodybuilder und Mister West Texas Uriah Walkinghorse, der ein Auskommen als Hausmeister eines Apartmentblocks in El Paso gefunden hat. Als er sich darauf einlässt, durch seine einschüchternde Präsenz in einem Dominastudio für den nötigen Nervenkitzel zu sorgen, findet sein doch recht trister Alltag ein plötzliches Ende. Der Kunde, ein prominenter Bankier, hält der strengen Behandlung nicht stand und erleidet einen Herzinfarkt. Ein peinlicher Todesfall, den es zu vertuschen gilt. Walkinghorse akzeptiert ein Schweigegeld und hilft mit, die Leiche an einen angemesseneren Ort zu verfrachten. Doch damit fangen die Probleme erst an. Offenbar findet es jemand gar nicht in Ordnung, dass der unfreiwillige Zeuge seinen Scheck nicht umgehend eingelöst hat. Und dieser jemand kennt noch ganz andere Mittel, seine Interessen durchzusetzen, als mit Geld um sich zu werfen. Obwohl er davon mehr als genug hat, denn er liefert eine Ware, auf die viele US-Bürger, unter anderem Uriahs Stiefbruder, dringend angewiesen sind. Es geht also um Drogen und darum, wie aus "schmutzigem" Geld wieder ein einwandfreies Zahlungsmittel wird. Am besten geht das, wenn man selbst eine Bank gründet. So eine wie die, deren Top-Manager offenbar leider ein zu schwaches Herz für masochistische Vergnügungen hatte.
Belassen wir es bei diesem kurzen Einblick in den Inhalt des Romans. Wichtiger ist die Art und Weise, wie DeMarinis seinen Helden, der auch als Erzähler fungiert, einsetzt, um das satirische Porträt einer aus den Fugen geratenen Gesellschaftsordnung zu zeichnen. Zu der es allerdings keine wirkliche Alternative zu geben scheint. Angesichts dieser Erkenntnis werden die Sympathieträger des Romans aber nicht fatalistisch. So bringt Uriah seinen drogensüchtigen Stiefbruder in einer Entzugsklinik unter, obwohl er sich nicht viel davon verspricht, und der Ex-Dozent und Kneipenwirt Güero wird weiterhin Beispiele für den falschen Gebrauch des Partizips an die Pinnwand seiner Bar hängen, trotz seines mehr als pessimistischen Menschenbildes. Kaputt in El Paso ist ein exzellentes Beispiel dafür, was große Kriminalliteratur vermag. Und es ist bezeichnend, dass Frank Nowatzkis kleiner Pulp Master Verlag dieses Buch deutschen Lesern zugänglich macht, während die großen Häuser in ihrer Fixiertheit auf programmierte Bestseller dafür sorgen, dass die Ramschkisten immer genügend Nachschub haben.
In diesem Zusammenhang ist auch der Bielefelder Pendragon-Verlag zu nennen, der an dieser Stelle schon wegen seiner Verdienste um die Spenser-Romane Robert B. Parkers gelobt wurde. Hier erscheinen auch veritable deutsche Krimis. Ein schönes Beispiel ist Mechtild Borrmanns bedeutungsschwanger betitelter, aber straff erzählter und gut konstruierter Polizeiroman Morgen ist der Tag nach gestern. Kleve am Niederrhein: In einem ausgebrannten Haus werden zwei Leichen gefunden. Einer der Toten ist der Hausbesitzer Gustav Horstmann, ein sozial engagierter ehemaliger Lokalpolitiker. Die zweite Leiche bleibt zunächst unidentifiziert. Brisant wird der Fall, als auf einem PC im Keller Bilder vermisster Kinder gefunden werden. Ist die wohltätige Stiftung, für die Horstmann tätig war, nur ein Deckmantel für kriminelle Aktivitäten? War der angesehene Bürger etwa in Geschäfte mit Kinderpornographie verwickelt? Nüchtern schildert der Roman die Arbeit der Kriminalpolizei, ohne dass dies die Spannung mindern würde. Dabei bleiben die in anderen Krimis so beliebten Exkurse in das Privatleben der Ermittler auf das Notwendigste beschränkt. Zwei weitere Erzählstränge widmen sich dem Vater eines der vermissten Mädchen und einem scheinbar unbeteiligten Nachbarn des abgebrannten Hauses, der großes Interesse an den polizeilichen Ermittlungen zeigt. Gekonnt führt die Autorin diese Fäden in einem überraschenden Finale zusammen. Bücher wie dieses beweisen, dass der heimische Kriminalroman durchaus ein respektables Niveau erreichen kann, ohne in skandinavischer Manier durch schieren Umfang Literarizität zu signalisieren. Und das ist ein gutes Zeichen.

 

Andrew Gross: Blut und Lüge. Thriller. Aus dem Amerikanischen von Susanne Goga-Klinkenberg. 317 Seiten. Scherz. Frankfurt am Main 2007. € 17,90.

Rick DeMarinis: Kaputt in El Paso. Roman. Aus dem Amerikanischen von Angelika Müller und Frank Nowatzki. 350 Seiten. Pulp Master. Berlin 2007. € 13,80.

Mechtild Borrmann: Morgen ist der Tag nach gestern. Roman. 222 Seiten. Pendragon. Bielefeld 2007. € 9,90.