Manchmal verliert Peter Hunkeler, "Kommissär
des Kriminalkommissariats Basel, ehemaliger Familienvater, jetzt
geschieden", die Selbstkontrolle. Dann schreit er junge Menschen
an, die sich störrisch seinen Fragen verweigern, oder lässt
sich auf ein Wettrennen mit einem arroganten Kabriofahrer ein.
Später bereut er gewöhnlich sein Verhalten, denn eigentlich
ist Hunkeler ein eher nachdenklicher Typ. Deshalb will ihm auch
nicht einleuchten, dass der homosexuelle Kunsthändler Roger
Ris ausgerechnet von seinem jugendlichen Geliebten ermordet worden
sein soll. Zumal Ris just im Solebad jenes Hotels umgebracht wurde,
in dem sich Hunkeler einquartiert hat, um etwas gegen sein Rückenleiden
zu unternehmen. Hätte er während des Aufenthalts im
warmen Salzwasser nicht gerade darüber nachgedacht, dass
er sein Leben ändern müsse, wäre er vielleicht
sogar Zeuge der Tat geworden.
Hunkeler beginnt, obwohl beurlaubt, zu ermitteln und glaubt bald,
einem Zusammenhang zwischen dem Mord und einer Serie von Kunstdiebstählen
in der Umgebung auf der Spur zu sein. Doch so einfach ist die
Sache nicht. Oder so kompliziert. Es bleibt nämlich nicht
bei einem Fall, und es gibt dementsprechend auch nicht nur eine
Lösung. Dass Hansjörg Schneiders
Romane um den eigenwilligen Kriminalbeamten aus Basel zum Besten
gehören, was die deutschsprachige Kriminalliteratur zu bieten
hat, liegt allerdings weniger an ihren Plots als an der Erzählkunst
ihres Verfassers. Der versteht es nämlich, mit knappen Sätzen
große Wirkung zu erzeugen, und kommt damit dem Charakter
seines Helden sehr nah. "Er wusste, dass er Geduld haben
und warten musste, auf das, was geschah", heißt es
an einer Stelle. Viel mehr erfährt auch der Leser nicht.
Und er lässt es sich gerne gefallen. Denn es ist durchaus
angenehm, mit Hunkeler im Dunkeln zu tappen. Dabei braucht es
nicht einmal viel Geduld, weil das, was bei anderen Ermittlern
auf die Dauer enervierend ist, nämlich an ihrem Privatleben
teilzuhaben, hier ein ganz selbstverständliches Interesse
erfüllt. Dann spielt man mit dem Gedanken, wie sich ein Roman
um den alternden Kriminalisten lesen würde, in dem es gar
kein Verbrechen aufzuklären gäbe und unser Vergnügen
ganz allein Sätzen wie diesem gelten würde: "Er
beschloss zu gehen, bis er an ein Ziel kam, das er nicht kannte."
Auch Remzi Ünal, Privatdetektiv in Istanbul, weiß nicht
so recht, wohin. Aber anders als Hunkeler scheut er, abgesehen
von regelmäßigem Kampfsporttraining, die Bewegung.
Zu Beginn von Celil Okers neuem Roman
Dunkle Geschäfte am Bosporus treffen wir ihn vor dem
Fernseher an, in der Hand die Fernbedienung, um sich durch die
Programme zu zappen. Wer ihn engagieren will, braucht ein gutes
Druckmittel, und genau das besitzt Muazzez Güler, Inhaberin
einer Computerfirma und Gattin eines einflussreichen Politikers.
Es geht darum, einem säumigen Kunden Beine zu machen. Dummerweise
ist Ünals Auftraggeberin schon bald tot, und der antriebsschwache
Schnüffler sieht sich in ein kompliziertes Beziehungsgeflecht
verwickelt, aus dem er, trotz Aikido, nur mit starken Blessuren
wieder herauskommt. Wie seit Hammett und Chandler in diesem Genre
Tradition, ist die Handlung eher unübersichtlich, aber dafür
reich an Standardsituationen, die nicht immer elegant, aber mit
einer gehörigen Portion Selbstironie bewältigt werden.
Auch sprachlich ist der Roman ein Vergnügen, nicht zuletzt
ein Verdienst des Übersetzers Nevfel Cumart.
Mit Tricks und doppeltem Boden arbeitet der Detmolder Richter
Andreas Hoppert in seinen Kriminalromanen
um den verkrachten Juristen Marc Hagen. In Menschenraub
geht es zum einen um die Entführung der 16-jährigen
Adoptivtochter eines schwerreichen Unternehmers und zum anderen
um eine Leiche, die offenbar seit Jahrzehnten auf dem Dachboden
eines Hauses versteckt war. Was über weite Strecken wie ein
durchaus spannender, aber stilistisch wenig bemerkenswerter Krimi
daherkommt, entpuppt sich zum Ende als ein perfides Spiel mit
der Erwartungshaltung des Lesers. Es empfiehlt sich, gewisse Ungereimtheiten
in der Handlungsführung ernst zu nehmen, sie haben ihren
Sinn. Andreas Hoppert ist ein Autor, der genau weiß, was
er tut. So, und mehr wird an dieser Stelle nicht verraten.
Kurzweilig geht es zu in den Kriminalgeschichten, die die Autorin
Christiane Geldmacher in ihrer Anthologie
Hell's Bells versammelt hat. Das Buch beginnt eindrucksvoll
mit der beklemmenden Studie Der Wald reicht bis ans Haus
von Sebastian Spengler, setzt sich mit einer schweißtreibenden
Momentaufnahme von Norbert Horst fort, um dann eine Kostprobe
des schwarzen Humors zu servieren, mit dem mein Lieblingskrimikritiker
Dieter Paul Rudolph offenbar reichlich gesegnet ist. Und so geht
es munter weiter bis zu dem abschließenden Beitrag der Herausgeberin,
die mit Ach, Du bist das! einen beinahe klassisch zu nennenden
Kurzkrimi mit gut gesetzter Pointe beigesteuert hat.
Eine bunte Mischung also, in die sich, was bei Büchern dieser
Art kaum zu vermeiden ist, auch die eine oder andere für
meinen Geschmack eher fade Story geschmuggelt hat, ohne dass der
positive Gesamteindruck darunter leiden würde.
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