| Kriminalromane zu rezensieren ist ein einsames 
                Geschäft. Mehr noch als der gewöhnliche Literaturkritiker 
                verortet sich der professionelle Leser von Spannungsliteratur 
                abseits der krimikonsumierenden Massen. Die lesen nämlich 
                weiter Donna Leon, mag er auch noch so oft Magdalen Nabb oder 
                Michael Dibdin als bessere Alternativen empfehlen. Das schmerzt 
                ihn, stärkt aber auch sein Selbstbewusstsein. Besonders kritisch wird er, wenn andere über Kriminalliteratur 
                schreiben, sich gar dazu aufschwingen, ein Krimi-Lexikon herauszugeben. 
                Da er weiß, dass seit Jochen Schmidts lange vergriffenem 
                Standardwerk Gangster, Opfer, Detektive kein vernünftiger 
                Überblick mehr auf den Markt gekommen ist, wünscht er 
                sich durchaus ein entsprechendes Nachschlagewerk, kann sich aber 
                schon denken, was dabei herauskommen wird: Schlecht geschriebene 
                Inhaltsangaben von Bestsellern füllen Seite um Seite, während 
                den stilprägenden Autoren des Genres vielleicht eine Spalte 
                gegönnt wird. Und wahrscheinlich wird auch noch jedes Mal 
                der Täter verraten.
 Wenn er dann das Buch aufschlägt und feststellt, dass er 
                recht hatte, ist die Befriedigung eher gering. Deshalb an dieser 
                Stelle nur der Hinweis, dass Reclams Krimi-Lexikon 
                vor allem für Leute interessant ist, die immer wieder vergessen, 
                in welchem Roman von Henning Mankell ein kleiner Bursche in Indianerverkleidung 
                all diese grässlichen Morde begeht.
 Dabei ist Ihr Mord- und Totschlag-Kolumnist gar kein prinzipieller 
                Verächter von Massenware. Vor allem für die beliebten 
                Regionalkrimis hat er eine Schwäche. Ob sie in der Eifel 
                oder am Niederrhein, im Münsterland oder im Ruhrgebiet spielen: 
                Dem vertrauten Personal, der - trotz der unvermeidlichen Häufung 
                von Gewaltverbrechen - anheimelnden Atmosphäre und dem gradlinigen 
                Erzählstil dieser Romane vermag er ebensowenig zu widerstehen 
                wie einer großen Pommes-Currywurst mit extraviel Mayo. Die 
                Reue allerdings stellt sich in beiden Fällen manchmal schon 
                während des Genusses ein. Verbrutzelte Würste, zu kalte 
                Mayonnaise und Pommes, die zu lange in der Friteuse waren, können 
                einem so manche Exkursion zum Schnellimbiss vergällen. Und 
                wenn ein Routinier wie Reinhard Junge 
                in Glatzenschnitt, seinem achten Krimi um die Hobbydetektive 
                vom Videoteam Pegasus außer wohlfeilem Antifaschismus nur 
                eine hanebüchene Geschichte zu bieten hat, trösten einen 
                auch die Privataffären seiner Serienhelden nicht mehr. Als 
                Junge die Reihe noch zusammen mit Leo P. Ard (d. i. Jürgen 
                Pomorin) schrieb, waren die Bücher dünner und witziger. 
                Ein Roman wie Das Ekel von Datteln hielt die Waage zwischen 
                Satire, Kritik am Ruhrpottfilz und Krimihandlung. Die beinahe 
                400 Seiten von Glatzenschnitt dagegen überfordern 
                die erzählerischen Möglichkeiten ihres Autors beträchtlich.
 Nahrhafter ist da der zweite Münsterland-Krimi von Georg 
                Veit, nicht nur, weil sein Held ein begeisterter Hobbykoch 
                ist. Wieder einmal gerät Peter-Paul Pfühl, ein gewöhnlich 
                eher wenig engagierter Studienrat, wider Willen in kriminelle 
                Verstrickungen. Tote Hähne, gentechnische Versuche und ein 
                holländischer Psychopath mit sadistischen Neigungen sorgen 
                für eine turbulente, von der Hauptfigur selbst mit bewährter 
                Kaltschnäuzigkeit erzählte Geschichte.
 Auch Autoren von Kriminalromanen schreiben gerne über Dinge, 
                die sie kennen. Da allerdings die wenigsten von ihnen mit wirklichen 
                Verbrechern zu tun haben, müssen sie ihre persönlichen 
                Erfahrungen eben im "Ambiente" unterbringen. So kommt 
                es wohl, dass Georg Veits Held wie sein Schöpfer dem eher 
                unspektakulären Lehrerberuf nachgeht. Aufregender ist es 
                wahrscheinlich, wenn man wie der amerikanische Autor C. 
                J. Box Jagdaufseher in den Rocky Mountains ist. Da wundert 
                es wenig, dass in Boxs Krimidebüt Keine Schonzeit 
                ein tapferer Wildhüter namens Joe Pickett die Hauptrolle 
                spielt, der keine Gefahr scheut, um einer Bande skrupelloser Geschäftemacher 
                das Handwerk zu legen. Diesen Schurken sind nicht nur die letzten 
                Exemplare des längst ausgestorben geglaubten Miller-Wiesels 
                vollkommen egal, sie räumen auch ohne langes Zaudern Menschen 
                aus dem Weg, die ihre profitträchtigen Pläne zum Bau 
                einer Erdgas-Pipeline behindern könnten. Boxs spannender 
                Öko-Krimi profitiert gleichermaßen von den beruflichen 
                Kenntnissen seines Autors wie von einem Erzähltalent, das 
                der nicht unbedingt neuen Geschichte vom Kampf eines nicht-korrumpierbaren 
                Gesetzeshüters gegen eine scheinbar übermächtige 
                kriminelle Verschwörung eine interessante Variante abgewinnt.
 Mit Sekundärliteratur begann diese Kolumne, mit Sekundärliteratur 
                soll sie enden. Der rührige Wuppertaler NordPark-Verlag betreibt 
                nicht nur mit den "Alligatorpapieren" (www.alligatorpapiere.de) 
                die informativste Krimi-Website im Internet, sondern publiziert 
                in seiner Buchreihe "KrimiKritik" Beiträge zur 
                Erforschung des Genres. Band 2 präsentiert die erste deutschsprachige 
                Monographie über John le Carré, 
                den Großmeister des literarisch anspruchsvollen Spionagethrillers. 
                Vor allem die umfangreiche Bibliographie macht das Bändchen 
                zu einer unverzichtbaren Informationsquelle für alle, denen 
                Kriminalliteratur mehr bedeutet als leichtes Lesefutter.
 | 
          
            |  (Hrsg.): Reclams 
                Krimi-Lexikon. 485 Seiten. Reclam. Ditzingen 2002. € 
                28,90.  : Glatzenschnitt. 
                Kriminalroman. 380 Seiten. Grafit. Dortmund 2002. € 9,90. 
               : Hahnenkampf. 
                Ein Krimi aus dem Münsterland. 199 Seiten. Waxmann. Münster 
                2002. € 12,70.  : Keine 
                Schonzeit. Roman. Aus dem Amerikanischen von Andreas Heckmann. 
                316 Seiten. Blanvalet. München 2002. € 7,90. : John 
                le Carré. Der Spion, der zum Schriftsteller wurde. 
                Portrait und Bibliographie. 107 Seiten. NordPark. Wuppertal 2002. 
                € 11,00.  |