Mord & Totschlag 41
Die Krimi-Kolumne von Joachim Feldmann
 

Schon der Untertitel verheißt nichts Gutes. Wie eine Produktwarnung hat der Eichborn Verlag die Worte "Kölsch & Komedy & Krimi" auf den Umschlag des zweiten Lou-Hoeller-Romans gedruckt, und wenn ich vom ersten Abenteuer dieses unglückseligen Privatdetektivs nicht so begeistert gewesen wäre, hätte ich die Finger von dem Buch gelassen. Damit wäre mir es nämlich erspart geblieben, gegen meine Prinzipien zu verstoßen und das Ende eines Kriminalromans zu verraten. Doch hier muß es sein. Also: Lou hat alles nur geträumt. Seinen Auftrag ebenso wie den daraus resultierenden irrwitzigen Amsterdam-Trip. Welch originelle Idee! Dummerweise nimmt mit der Absurdität der erträumten Handlung auch die Langeweile des Lesers zu. Schade, daß der vielversprechende Autor Peter Kaczmarek sein Talent auf solche Weise verschwendet.
Dabei geht es auch anders. Wie man dem realistischen Kriminalroman eine lange Nase drehen kann, ohne gleich zu plumpen Tricks greifen zu müssen, demonstriert auf elegante Weise Manfred Wieninger in seinem zweiten Buch Falsches Spiel mit Marek Miert. Der Privatermittler aus der niederösterreichischen Provinz hat es gleich mit mehreren Fällen zu tun, die auf seltsame Weise zusammenzuhängen scheinen. Wie es sich gehört, verwirrt das den Leser mehr als den Detektiv. Aber wer gut aufpaßt, wird am Ende sogar mit einer Art Auflösung belohnt. So glaubt man zumindest. Doch sicher ist das nicht.
So ein richtiger Aufklärer ist auch Jakob Arjounis türkischstämmiger Schnüffler Kemal Kayankaya nicht. Zu Beginn seines vierten Abenteuers steckt er zusammen mit seinem Kumpel Sibulsky im Schrank eines brasilianischen Restaurants, das von brutalen Schutzgelderpressern bedroht wird. Ein Freundschaftsdienst, der ihm nicht gut bekommt. Denn schon bald steckt er zwischen den Fronten in einem Bandenkrieg um das Frankfurter Bahnhofsviertel. Arjouni hat mittlerweile eine schnoddrig-ironische Erzählweise kultiviert, wie sie in der deutschsprachigen Kriminalliteratur ihresgleichen sucht. Was im ersten Kayankaya-Roman Happy Birthday, Türke noch wie ein unfreiwillig komisches Nachäffen amerikanischer Vorbilder klang, ist einem souveränen Umgang mit den Stilmitteln des harten Detektivromans gewichen. Allerdings hat dieses Mal hat wohl weniger Raymond Chandler als Mickey Spillane Pate gestanden, so blutig geht es hier zu.
Von den Ausmaßen, die das Verbrechen in der Provinz annehmen kann, erzählt seit mehr als zehn Jahren der Autor Jacques Berndorf. Seine Eifel-Krimis um den Journalisten Siggi Baumeister gehören zu den erfolgreichsten Büchern des Dortmunder Grafit Verlages, der mittlerweile für die deutschsprachige Kriminalliteratur eine Rolle spielt wie vor Jahren Rowohlts schwarze Thrillerreihe. Berndorf pflegt die Tradition des gesellschaftskritischen Krimis mit aufklärerischem Anspruch, ohne dabei in plumpe Schwarz-Weiß-Malerei zu verfallen. Andererseits ist Siggi Baumeister schon ein Gutmensch von besonderer Klasse, den man manchmal nur aus alter Anhänglichkeit wieder ins Haus läßt. Und sein letzter Fall, Eifel-Müll, ist zwar solide konstruiert, aber auch nicht so atemberaubend, daß einem das Warten auf den nächsten besonders schwer gemacht würde. Übrigens erscheinen bei Grafit seit dem vergangenen Jahr auch internationale Kriminalromane. Hier sei besonders auf den holländischen Autor Felix Thijssen und seinen beeindruckenden Privatdetektiv Max Winter hingewiesen.
Im Unterschied zu den meisten der hier vorgestellten Romane geht es in Guillermo Arriagas sarkastischer Mordgeschichte Der süße Duft des Todes nicht um die Aufklärung eines Verbrechens, sondern um seine Folgen. In einem abgelegenen mexikanischen Dorf wird die Leiche eines jungen Mädchens entdeckt. Niemand hat ein Interesse daran, tatsächlich nachzuforschen, wer sein Mörder sein könnte. Stattdessen ergehen sich die Dorfbewohner in haltlosen Spekulationen, so daß sich in Windeseile haarsträubende Gerüchte verbreiten, an deren Wahrheitsgehalt niemand zweifelt. Selbst der Kneipenwirt Ramón, dem eine Liebesbeziehung zu der Toten angedichtet wird, akzeptiert irgendwann die Lüge und bereitet sich darauf vor, den angeblichen Mörder der vermeintlichen Geliebten zu töten. So zieht sich das Netz der Lügen immer weiter zu, und am Ende des Romans kommt es zu der unausweichlichen Katastrophe. Dem mexikanischen Regisseur und Autor Arriagas ist eine, in ihrer Lakonie grandiose, Erzählung über die Macht der Lüge gelungen. Gleichzeitig liefert er ein eindrucksvolles Porträt einer archaischen Dorfgesellschaft fernab von dem, was wir für unsere westliche Zivilisation halten. Eine wunderbare literarische Entdeckung.

 

Peter Kaczmarek: Zweimal Hölle und zurück. Kölsch & Komedy & Krimi. 278 Seiten. Eichborn. Frankfurt am Main 2001. 19,80 DM.

Manfred Wieninger: Falsches Spiel für Marek Miert. Roman. 124 Seiten. Rororo. Reinbek 2001. 12,90 DM.

Jakob Arjouni: Kismet. Ein Kayankaya-Roman. 265 Seiten. Diogenes. Zürich 2001. 36,90 DM.

Jacques Berndorf: Eifel-Müll. Kriminalroman. 285 Seiten. Grafit. Dortmund 2000. 17,80 DM.

Felix Thijssen: Cleopatra. Roman. Aus dem Niederländischen von Stefanie Schäfer. Grafit. Dortmund 2000. 17,80 DM.

Guillermo Arriaga: Der süße Duft des Todes. Roman. Aus dem mexikanischen Spanisch von Susanne Mende. 208 Seiten. Unionsverlag. Zürich 2001. 28,00 DM.