Jürgen Flenker
Der Himmel ist blass, wie auf Krankheit geschminkt. Ein ewiger Dunst lagert über den Tälern, als hätte Gott ein Tuch darüber gebreitet, ein Leichentuch, groß genug, um diesen Landstrich seinem strengen Schöpferblick zu entziehen. Wenig Licht und noch weniger Fortschritt dringen in die kargen Stuben. Auf den Holzdecken der Firnis von Schweiß und Verzweiflung. Webstühle rattern im schalen Licht von Petroleum und Stearin, und immer ist am Ende der Kerzen noch so viel Winter übrig.
Auch er wurde in diese Dunkelheit geboren. Ein zartes und kränkliches Kind, das fünfte von vierzehn. Die meisten erreichen das erste Lebensjahr nicht. Er überlebt, der einzige Sohn, Hoffnungsträger des Vaters. Der Junge soll es einmal besser haben. Klug und neugierig sei er, meint der Pfarrer. So lässt der Vater ihn lernen, ganze Bücher lässt er ihn abschreiben. Einer wenigstens soll der schwindsüchtigen Stube entkommen.
So wird er hineingestoßen in die Welt der Bücher, die keine Mauern kennt. Eine Traumwelt, hell und grenzenlos, und im Rattern des Webstuhls treibt er allmählich davon. Er webt keine Flüche in das Tuch. Er nimmt den Faden auf und webt sich selbst tief hinein in die Geschichten.
Anfangs ist er das Greenhorn. Grün hinter den Ohren, streckt er die Fühler langsam über die düstere Stube der Kindheit hinaus. Die Beine reichen nur bis nach Radebeul, aber bald schon tragen ihn die Siebenmeilenstiefel der Phantasie in Wüsten und Prärien, in Wigwams und Paläste, in Steppen und Schluchten, in Tempel und Moscheen.
So reift das Greenhorn zum Weismacher. Ein Scharlatan, der aus Wörtern Welten baut. Ein Sehnsuchtsverkäufer, ein Handlungsreisender in Sachen Träume, der vollmundig das Blaue vom Himmel lügt, um seine Leser damit zu füttern. |