Am Erker 69

 

 
Texte
Am Erker 69, Münster, Juni 2015
 

Angela Flam
Nein, nun doch nicht

Die Kalligraphien sind noch zu besichtigen: Schriftzüge über Vogellaute aufgespannt, aus Lichtspuren und Schuppengold in gläserne Luftschächte gepresst, von Signalen durchschnitten, auf Ölpapier aus einer Hand geblasen, in drei Reihen vor sich hingestreut. Er muss bleiben – in den Pinselstrichen, in den gewundenen Pfaden, in allen Schattierungen bis hinein in die Schattenzonen einer fremden Wirklichkeit aus Sandflöhen kärglicher Strauchreste. Nicht, um das Rätsel von Wort und Sinn zu lösen, sondern um sich von einem der Zeichen finden zu lassen. Die Hitze zehrt ihn aus. Er schläft im Orgeln des Windes außerhalb der Weite. Jemand bewahrt seine Schritte, damit die Pfade nicht verwildern: 80000 Höhenmeter in Serpentinen auf und ab durch die Herzfrequenz am Monitor einer Intensivstation. Es reiht sich Düne an Düne: Sinusschleifen von traumgespaltenen Gebirgsketten bis hin zur Ebene. Geh nicht ans Land, flüstert die Tusche auf Pergament, denn dein Meer bin ich –