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               Marion Kortsteger 
                 
              "Gib dem Kind nichts zu trinken,weil sonst 
                isst es nicht!" 
                ...der Geschmack des Gemüses, Kohlrabi, Wirsing, Blumenkohl, 
                und Fleisch, knorpeliges, fettiges Fleisch, immer das Gefühl, 
                es ist Kaninchenfleisch, wie sie das Kind beobachten, von der 
                Seite, "nein, ich esse das nicht, das ist Kaninchen!", 
                "nein,Kind, es ist Huhn, iss es endlich, du kriegst nichts 
                anderes!", und es schluckt, würgt, prüft die Gesichter 
                um sich herum, sie haben gesagt, es ist Huhn, und endlich ist 
                der Teller leer und sie lachen, bis sie fast vom Stuhl fallen, 
                wie sie es schreien, sie singen es fast, "es war Ka - niiien 
                - chen!!!" Der Gang ist dunkelgrün und lang, als Frau 
                wird das Kind die Wohnung mit anderen Augen sehen, sich wundern 
                über die Lächerlichkeit dieser paar Schritte. Aber der 
                Gang ist zu lang für den Kindermagen und dann sind da schwarze 
                Flecken im Teppich, Kontinente auf der Nordwestpassage ins unerreichbare 
                Bad, und danach schämt es sich,wenn die Mutter es in das 
                Zimmer drückt, die Tür schließt, "du bleibst 
                da!", und mit Eimer und Lappen sich auf den dunklen Boden 
                kniet, pustet und schnauft in ihrer Art zu pusten und zu schnaufen, 
                so wie sie beim Essen pustet und schnauft, "ich schwitze!", 
                schnauft sie, und streicht sich das Haar aus der Stirn, es türmt 
                sich hoch, so sehr lebt es, beim Essen, und wenn das Kind sich 
                abwendet, sagt sie, "das sind die Wechseljahre, guck es dir 
                schon mal an, da kommst du auch noch hin!" Durch jeden einzelnen 
                Blusenknopf guckt die Mutter, große, durchsichtige Blusenknöpfe 
                mit gehässigen großen Augen, das Kind kann so nicht 
                essen, wenn diese Knopfaugen sie anglotzen, nicht mal das wenige, 
                das es gern mag - Nudeln mit Zucker, das Innere der Brötchen, 
                Apfelmus. Alles muss es in Apfelmus tunken. Gemüse, Kartoffeln, 
                Fleisch. Aber am liebsten hungert es. Um sich nachts, wenn es 
                allein ist, auf Dinge zu stürzen, die es aus der geschlossenen 
                Packung nehmen kann: Zwieback, trockene Nudeln, Knäckebrot. 
                Aber die Packung muss zu sein. Und deshalb isst es immer alles 
                ganz auf. Weil es keine angebrochene Packung mehr anrühren 
                könnte, später. 
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