Am Erker 68

Walter Gröner: 'Fabrikler, Leser und Poet'

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Walter Gröner
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Rezensionen
Walter Gröner: Fabrikler, Leser und Poet
 

Arbeit für Dichter
Rolf Birkholz

Dem Nebenmann an der Maschine notierte Walter Gröner zwar schon mal einen "Spätschicht-Pausenvierzeiler auf die verschmierte Serienprüfkarte". Doch der Metallschleifer Gröner schrieb nicht etwa speziell für Arbeiter. Sein 1985 erschienener Band mit Gedichten und Kurzprosa und mit seinem Selbstverständnis als Fabrikler, Leser und Poet im Titel ist jetzt neu aufgelegt worden.
Die "verschmierte Serienprüfkarte" verströmt natürlich Metallstaub und Schweiß. Es ist auch von Bleihammer, Spannbolzen, 17er Gabel und Fixierschlitten die Rede. Um Akkordsatz geht es. "Eine Steuerbuchse zählt beim Einstichschleifen 0,017 Industrieminuten".
Aber Walter Gröner, 1950 im Württembergischen geboren, versteht diese übrigens nur in wenigen der Texte vorkommenden Begriffe aus der Arbeitswelt behutsam zu poetisieren, ohne sie allzu glatt zu schleifen. Sie bleiben so widerborstig wie in der Schilderung dessen, was sich auf seinem alten Werkzeugschrank befindet - der Kalender der IG Metall. Meine Zigaretten, mein Kaffeebecher, mein Buch - eben dieses.
Während der Erzähler in diesem Prosastück ("Kleines Ritual"), "ganz in den Gesang der Maschinen gehüllt" ist, baut sich eine eigentümliche, sanfte Spannung zwischen seinem Berufsalltag und dem Titelbild jenes Bandes mit dem wandernden Robert Walser auf.
"Dieses Kämpfen, wo mag es enden, fragt auch der Walser Röbi", heißt es zum Schluss. In dieser überraschenden Annäherung wird auch klar, dass Gröner sich nicht in die Vorstellung vom "schreibenden Arbeiter" fügt. War Fernando Pessoa ein schreibender Handelskontorist? Franz Kafka ein schreibender Versicherungsbürokrat?
"Der Literat soll feinsinnig für die gehobenen Schichten, verständig fürs Volk und dergleichen?", fragt Gröner ohne Verb. Er ist so frei, Umgangsausdrücke, Mundartliches und gedrechselte Hochsprache zu verwenden, auf historische Architektur in Italien wie auf Berliner Friedhöfe eigenwillig zu schauen.
In einem Gedicht formuliert Walter Gröner seine Aufgabe so: "Kamerad, ich soll dir eine Poesie / Serviern oder einen gut erzählten Text". Arbeit für Dichter, nicht Arbeiterdichter.

 
Walter Gröner: Fabrikler, Leser und Poet. Gedichte. 96 Seiten. Louisoder. München 2013. € 11.