Am Erker 61

Roland Merk: Wind ohne Namen

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Edition 8
Roland Merk

 
Rezensionen
Roland Merk: Wind ohne Namen
 

Lamentolyrik
Rolf Birkholz

Mit dem "Gesang von der Nacht" endet Roland Merks Gedichtband Wind ohne Namen. Es ist seine Version des alten Liedes über den Zustand des Menschen, der, unempfindlich für die Nöte des Nächsten und warnende Zeichen der Natur, von Marktinteressen getrieben, besinnungslos, gierig dahinlebt.
"An den unwirtlichen Tischen dieser Zeit/ begingen wir nüchtern das Fest der Satten", und "so vergingen unsere Tage/ wie Staub und Sand/ im Wind dieser Zeit." Das klingt nach alttestamentlicher Klage und streift zugleich das Lamento moderner Leitartikellyrik. Solche Berührungen vermeidet Merk auch in den anderen Gedichten, deren Grundstimmung konsequent in dem Schlussstück kulminiert, nicht immer.
Ein Titel aus dem Band, "Prosa des Lebens – Frage des Tages", könnte auch die oft prosanahe Schreibweise des Schweizers andeuten. "Wieder einmal die Frage:/ Was ist das, das Ich?/ zwischen Kaffee und Madeleines", bewegt den Autor beim Streifen durch Paris, wo er, neben Basel, lebt.
An die geschundene Erde gebunden, steht das lyrische Ich mit der Verzweiflung auf Du und Du ("Auskunft"). Das hellt die Gefühlslage in diesem Buch kaum auf. Dabei hat Roland Merk, Jahrgang 1966, mit seinem Prophetenton ("Nichts ist von Dauer", "auf Fundamenten aus Sand") ja Recht. Ist man schon zu taub dafür?
Leichtere, dabei nicht unnahrhafte Kost liefert der Schreiber mit assoziationsreichen Beobachtungen in "Vie végétative" oder "Ithaka Beach: Nachrichten vom Sonnenstaat". Und auch ohne sich an der "Zirkulatur des Quadrats" abzumühen, gelingen - fern jenes mit der Zeit Gefälligen eines fortgesetzten Klagesounds - gut gewichtete Sachen wie diese "Materialkunde": "Ein Sprung/ nur ist der Lidschlag/ der Nacht und der Tag/ sein wachsames Auge/ traumlos kündet/ der Schlaf das Blei/ des Tages/ an".

 

Roland Merk: Wind ohne Namen. Gedichte. 127 Seiten. edition 8. Zürich 2010. € 15,80.