Rebell im Gehrock
Georg Deggerich
Der Dandy, so lehrt schon ein kurzer Blick in
die einschlägige Literatur, taugt nicht zu langen Abhandlungen.
Die scharfsinnigsten Einsichten zum Dandytum - etwa von Oscar
Wilde, Charles Baudelaire oder Robert de Montesquiou - sind allesamt
Aphorismen, Aperçus oder Anekdoten. Das ist bei Jules Barbey
d'Aurevilly nicht anders, und es braucht schon reichlich
Schützenhilfe durch ergänzendes Textmaterial und einen
umfangreichen Anmerkungsapparat, um aus dem schmalen Essay über
Beau Brummel ein richtiges Buch zu machen.
Für die Anmerkungen sind wir sehr dankbar, den Essay über
den Marquis de Lauzun hätte man getrost weglassen können,
und die Stimmen im Anhang dienen vor allem dazu, d'Aurevilly
selbst zum - wenngleich reichlich kauzigen und verschrobenen -
Dandy zu machen. Bleibt die Abhandlung über Beau Brummel,
das Urbild aller Dandys, und eben hier lässt sich manches
Wissenswerte zum Thema erfahren: z.B. dass der Dandy eben nicht
der im Deutschen eingebürgerte Stutzer oder Geck ist, sondern
Stil und Haltung weit mehr über die Qualitäten des Dandy
sagen als Rockschöße und Schuhschnallen. D'Aurevilly
erklärt das verblüffend einfach: "Ein Anzug bewegt
sich ja nicht von allein! Im Gegenteil! Erst eine bestimmte Art,
ihn zu tragen, bringt das Dandytum hervor." Wenige Jahre
später sekundiert Oscar Wilde: "Um gut angezogen zu
sein, darf man nicht auffallen." Aufgeräumt wird auch
mit dem Vorurteil, der Dandy sei Provokateur und enfant terrible,
dem es darauf ankommt, satte Bürger zu erschrecken, kurzum
den Pausenclown zu spielen. Statt greller Effekte und Selbstinszenierung,
belehrt uns d'Aurevilly, ist der Dandy "ein Provokateur
mit Takt, der beizeiten innehält und zwischen Originalität
und Exzentrizität Pascals berühmten Schnittpunkt findet",
jemand, der mit gesellschaftlichen Konventionen spielt, ohne sie
ernsthaft in Frage zu stellen.
Warum das Dandytum so unrettbar dahin ist wie die Gesellschaft,
der es entstammt, wird vielleicht an der obersten Pflicht des
Dandys deutlich, sich rar zu machen: "Bleibe in einer Gesellschaft,
solange du noch keinen Eindruck gemacht hast; wenn du ihn gemacht
hast, geh." In einer medial aufgeplusterten Gesellschaft,
in der noch das dümmste Sternchen vor die Kameras und Mikrofone
drängt, hat die vornehme Zurückhaltung des Dandys keine
Chance. Und man wüsste auch nicht, was er dem auf Skandal
und Erregung gedrillten Publikum noch mitzuteilen hätte.
So mag der Dandy dem Gestus nach noch in den Beaus und Playboys
unserer Tage fortleben, als öffentliche Person existiert
sein Typus nicht mehr. Durch den irischen Dichter Thomas Moore
ist uns überliefert, der Prinz von Wales habe geweint, als
Brummel sich abfällig über den Schnitt seines Rocks
äußerte. Und das bei einer Garderobe, die des Prinzen
ganzer Stolz war und 100.000 Pfund gekostet haben soll.
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