Mäzen gesucht
Frank Lingnau
"Nimm meinen brüderlichen Rat und gib
ja den Vorsatz auf, vom Schreiben zu leben", empfahl Gotthold
Ephraim Lessing 1768 seinem literarisch ambitionierten jüngeren
Bruder Karl. Lessing wusste, wovon er sprach. Immer wieder plagten
den Schriftsteller Geldsorgen. Erst die Stelle als Hofbibliothekar
in der herzoglichen Bibliothek in Wolfenbüttel sicherte ihm
für einige Jahre ein solides monatliches Einkommen.
An der finanziellen Situation der meisten Autoren hat sich bis
heute wenig geändert. So liegt das von der Künstlersozialkasse
ermittelte Jahreseinkommen eines deutschen Schriftstellers im
Jahr 2003 bei 15.743 Euro. Da drängt sich mehr denn je die
Frage auf: Wie soll man davon leben?
Wie Schriftsteller auf ihre finanzielle Notsituation reagierten,
dokumentiert der von Birgit Vanderbeke herausgegebene Band Ich
bin ganz, ganz tot, in vier Wochen. Er enthält von der
Autorin kompetent kommentierte Bitt- und Bettelbriefe bekannter
Autoren. Die Adressaten dieser bewegenden, teils erschütternden
Briefe könnten unterschiedlicher nicht sein: Schiller bittet
den Herzog von Württemberg um eine Besoldungszulage und Heine
Baron von Rothschild um eine finanzielle Zuwendung. Georg Büchner
und Joseph Roth wenden sich an Kollegen, Hölderlin und Jean
Paul betteln ihre Mütter an. Und Robert Walser schreibt an
seine Freundin Frieda Mermet, eine Wasch- und Bügelfrau,
die ihn jahrelang materiell unterstützte. Das liest sich
dann so: "Liebe Frau Mermet. Ich will Ihnen nur gleich herzlich
danken für die guten Strümpfe, die Sie mir wieder geschickt
haben, und die mir sehr gut passen. Sie tragen sich ganz ausgezeichnet,
krazzen nicht und geben schön warm. Tragen auch Sie, liebe
Frau Mermet, jetzt ordentlich warme Strümpfe an Ihren lieben,
zarten Füßen? Wie schön wäre es für
mich, wenn ich vor Sie hinknien und Ihnen recht sorgsam Strümpfe
und Stiefelchen anziehen könnte. Das ist ein bisschen überspannt,
nicht wahr?" Die Zusendung von ein Paar Strümpfen dürfte
bei Geldsorgen kaum geholfen haben. Was die meisten Autoren erhoffen,
wird in den Briefen schnell klar: Spenden, Kredite, Vorschüsse,
Schuldenerlasse. Zweifellos gab es auch Verleger, die ihre Autoren
großzügig finanziell unterstützten. Dazu gehört
Siegfried Unseld, der 2002 verstorbene Leiter des Suhrkamp Verlages.
Seine Briefe an Uwe Johnson und Wolfgang Koeppen belegen, dass
er ihnen jahrelang eine finanzielle Zuwendung von monatlich 3000
DM überwies, obwohl sie die wiederholt versprochenen Roman-Manuskripte
nicht fertig stellten. Unselds Aufforderungen an Koeppen, den
in Aussicht gestellten Roman doch endlich abzuliefern, werden
zu Beginn der 70er Jahre - nach mittlerweile über zehn Jahren
des Bittens und Drängens! - immer flehentlicher: "Bitte
ringen Sie sich jetzt durch! Warum rufen Sie mich nicht an? Ich
komme sofort (...) Ich träume immer schon davon, dass wir
den Schluß des Manuskripts gemeinsam formen." Dazu
kam es jedoch nicht. Statt eines Manuskripts erhielt der Verleger
weiterhin Briefe mit absurden Vertröstungen. Ein Roman Koeppens
erschien im Suhrkamp Verlag nicht mehr. Die Zahlungen an seinen
Autor stellte Unseld trotzdem nie ein.
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