Kurztrip in die Hölle
Martin Brinkmann
Der Autor Kenneth Cook gilt in Australien als
Klassiker, ist Schullektüre. Vor allem der erst jetzt ins
Deutsche übertragene Roman In Furcht erwachen begründete
den Ruhm des 1921 geborenen und 1987 verstorbenen Autors. Seltsam,
dass es so lange gedauert hat, bis das 1961 veröffentlichte
Buch auch für den deutschsprachigen Raum entdeckt und von
Hansjörg Schertenleib tadellos übersetzt wurde.
Eigentlich ist John Grant, Lehrer im australischen Outback, nur
für eine Nacht in Bundanyabba. Schon am nächsten Tag
will er weiter nach Sidney, in die wohlverdienten Weihnachtsferien.
Endlich ans Meer, ein paar Wochen Kühle und Ruhe, ehe er
noch ein letztes Mal für ein Jahr zurückmuss an die
Schule im wüsten Tiboonda. Die vermeintliche Zwischenstation
erweist sich jedoch als Trip in die Hölle. Von einem Polizisten
zur Teilnahme an einem beliebten Glücksspiel animiert, gewinnt
Grant zunächst ein kleines Vermögen, verliert jedoch,
vom Alkohol und der Hoffnung auf die Erlösung von den beruflichen
Qualen berauscht, noch in derselben Nacht das gesamte Geld. Von
da an geht es stetig abwärts mit dem jungen Lehrer.
Mit In Furcht erwachen hat Kenneth Cook eine präzise
Studie der vereinsamten, verführbaren Jungmännerseele
geschrieben. Besonders die gute Kenntnis, die der Autor von der
Psychologie seines Helden besitzt, beeindruckt. Selten hat man
die selbstbetrügerischen Winkelzüge in einem von Alkohol,
Einsamkeit und romantischer Schwärmerei betäubten Gehirn
so genau geschildert bekommen. Wie schmal der Grat tatsächlich
ist, der die Normalität vom Wahnsinn trennt, führt der
Autor in einem rauschenden Finale vor: der Beschreibung einer
grotesken Känguru-Jagd. Jene Leser, die eine Affinität
zu der im Grunde nicht unsympathischen Hauptfigur des Buches besitzen,
werden bei der Lektüre der waidmännischen Szenen, die
wohl zu den grandiosesten zählen, einiges über die finstersten
Kammern auch des eigenen Herzens kennen lernen.
Obwohl der Roman nicht über einen besonders langen epischen
Atem verfügt, kann In Furcht erwachen den Vergleich
mit einem anderen weltliterarischen Werk gigantischer Selbstzerstörung
bestehen, nämlich mit Malcolm Lowrys Unter dem Vulkan.
Von Vorteil für den Lesegenuss ist die wunderbar sachdienliche,
vollendet ökonomische Sprache, über die Cook verfügt:
Ohne jeden technischen Schnickschnack, auch ohne reflektierende
Abschweifungen erzählt der Autor die bis zuletzt spannende
Geschichte herunter. Dass hierbei auch der Humor nicht auf der
Strecke bleibt, ein ziemlich schwarzer wohlgemerkt, ist ein besonderes
Verdienst des Australiers - und seines Übersetzers.
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