| Abschied vom VaterFrank Lingnau
 Liebe und Tod, so sagt man gern, seien die großen 
                Motive der Weltliteratur. Im 20. Jahrhundert kommt ein weiteres 
                Sujet hinzu: der Vater. Spätestens seit Kafkas Erzählungen 
                Das Urteil und Die Verwandlung sowie seinem legendären 
                Brief an den Vater wird der Vater zu einer zentralen Figur 
                in der Literatur. An diese Tradition knüpft Sabine Peters, 
                die im Rheiderland/Ostfriesland lebende Autorin, mit ihrer Erzählung 
                Abschied an. Auch sie erzählt von einem Vater, der 
                Züge eines Patriarchen, eines Tyrannen hat, der seine vier 
                Töchter durchnummeriert und mit den Zahlen benennt. Der pensionierte 
                Gymnasiallehrer, ein, wie die Erzählerin mehrfach betont, 
                ausgewiesener Kulturmensch, erkrankt jedoch, wird schwermütig, 
                verwirrt, hilflos. Von dieser Zäsur in der Biografie des 
                Vaters, von seinen Metamorphosen und seinem bitteren Tod wird 
                aus der Perspektive der dritten Tochter berichtet. Die als Schriftstellerin 
                arbeitende Marie, das aus den früheren Werken bekannte Alter 
                Ego von Sabine Peters, kümmert sich um den kranken Vater, 
                erträgt seine Launen, seine Tiraden: "Tage vergehen, 
                drei, vier? Marie lernt passa-bel das fremde Auto zu fahren. Sie 
                lernt Vaters Pillenschrank kennen an einem schwarzen Tag, die 
                wichtigste lebenspendende Pille verschwunden, nicht aufzufinden, 
                wenn nicht sofort, jetzt gleich, lauf. Maria läuft..." 
                Nicht der Gestus der Anklage bestimmt diese Erzählung, sondern 
                der nüchterne Blick auf den durch die Krankheit gezeichneten 
                Vater und die Veränderungen in der Familie. Gleichwohl gelingen 
                Sabine Peters anrührende Episoden und ein versöhnliches, 
                aber keinesfalls verklärendes Ende. Abschied ist eine eindrückliche 
                Erzählung, die auch durch die rhythmisierte, stellenweise 
                virtuose Sprache überzeugt.
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