Gut gelacht
Tobias Lehmkuhl
Nachdem er vor fünf Jahren eine Bypassoperation
hatte und diese in Lichte Gedichte verwandelte, ist er jetzt wieder
da, der alte Gernhardt. Aber ist er's wirklich? Fast. Nur gehört
er nun zu denen, die es doch nicht erwischt hat. Da freut man
sich nicht wenig, ist aber vielleicht auch etwas enttäuscht:
So schlimm war's ja gar nicht! Man ist halt noch am Leben, "im
Glück und anderswo" eben. Melancholisch rollt der Dichter
das Bier-, nein: Tintenfaß heran:
"Die Jugendzeit mit ihren Ängsten: / Wer hat den längsten?
// Die Reifezeit mit ihrem Wissen: / Kein Mann muß müssen.
// Das Abendrot mit seinem Winken: / Eins läuft noch. Trinken."
Klar, alles ist vergänglich, vor allem der Alkohol. Bleibt
also die Vergänglichkeit. Und nicht, was die Dichter schaffen.
Aber Fleischeslust bekämpft den Frust:
"Titte sei mir, / Mutter Natur, / nicht möse, äh:
busen - / Es ist schon arsch, muß der Mann / immer nur wegsehn."
So derb geht es bei Gernhardt zwar selten zu, aber die Lust am
Schönen schließt die Lust am Sex nun mal mit ein. Wer
sich dabei unwohl fühlt, der richte seine Konzentration auf
die Saufgedichte. Hier hat der Dichter Großes geleistet.
Und nicht nur hier: Ein Denkmal zu setzen wäre Robert Gernhardt
auch als Denkmalsetzer der Deutschen Bahn. Einen so hingebungsvollen
Zugreisenden hat die deutsche Dichtung noch nicht gesehen. Holte
sich in früheren Zeiten der Dichter die ultimative Naturerfahrung
beim Besteigen der Alpen, so sitzt er heute im ICE:
"Flaches Land im Griff der Kälte. / Kahle Felder baumvergittert.
/ Ach, so gar nichts zeugt vom Ziele, / dem der Zug entgegenzittert..."
Hier stimmt die Stimmung, hier greifen die Bilder, hier triumphiert
der Trochäus. Alles in allem also:
"Gut gefühlt / Gut gefügt / Gut gedacht / Gut gemacht."
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