Ein distanziert beobachteter Urlaub
Anna Serafin
Fünf junge Leute verbringen irgendwo am
Pazifik zusammen ihren Urlaub. Es ist sehr heiß, und es
passiert nicht viel. Nach dem Frühstück geht man zum
Strand oder macht Ausflüge in die Stadt, um teure Sachen
für Touristen zu kaufen. Natürlich nutzt man jede sonnige
Minute und kommt schnell zum ewigen Thema: meine Bräune,
deine Bräune. Jeden Abend besäuft man sich kollektiv
im Hotelrestaurant. Unbekümmertes Leben, Ferienstimmung.
Die Ich-Erzählerin Ida bewohnt ein Einzelzimmer und beobachtet
ihre Clique - die dominierende Mika und ihren schwachen Partner
Frank; Susanne und Carsten, die sich als gute Freunde ein Zimmer
teilen. Mika entscheidet immer, was gemacht wird, steht ständig
im Mittelpunkt und hat eine riesige Reiseapotheke. Ihre Laune
beeinflußt die ganze Stimmung, und sie erträgt kein
Schweigen - damit könnte man sie töten, merkt Ida schnell.
Hübsche Susanne (aber das merkt keiner), die jedem zuhört
und so wenig und so leise spricht, daß sogar Mika auf sie
achtet. Carsten widmet seiner Körperpflege viel Zeit und
Aufmerksamkeit, kleidet sich entsprechend teuer und macht sein
Bad jeden Tag mit eigenen Putzmitteln sauber. Der nüchterne
und schweigsame Frank wird immer gesprächiger, je mehr er
trinkt, bald aber unerträglich und beschimpft alle - und
das Abend für Abend.
Ida ist eine scharfe Beobachterin. Nichts entgeht ihrer Aufmerksamkeit.
Man darf zwar schlecht gelaunt sein, aber auf Fotos muß
man lachen, denn sie gelten als Beweise des Glücks, als gefrorene
Momente ewiger Urlaubsfreude. Erholung ohne Lachen scheint unmöglich.
Man darf prinzipiell nur Markensachen haben - auch beim Nagellack
und sogar beim Klopapier. Ida durchschaut schnell die Zusammenhänge,
vor allem die Regeln, nach denen die fünf handeln, ihre Zwänge
und Gewohnheiten, ihre Schwächen und Stärken. Sie bewegt
sich unter ihren Freunden, ohne Konflikte zu verursachen. Denn
Erholung und Streit passen ja nicht zusammen. Idas kühler,
distanzierter Blick verschont niemanden. Ihre präzisen Beschreibungen
lassen den Leser schnell feststellen, zu welchem Typ er gehört,
und er erkennt seine inneren Zwänge wieder. Manchmal ist
das kein schönes Gefühl, denn man glaubt, sich selbst
im Spiegel zu begegnen.
Gegen Schluß ändert sich die Perspektive überraschend.
Nun erzählt Mika. Die starke, selbstbewußte Frau konzentriert
sich dabei vor allem auf ihren schwachen Freund Frank. Als er
ins Krankenhaus muß, begleitet nur sie ihn, während
die anderen Freunde weiter die Sonne genießen. Nachdem der
Leser alles über die Beziehung und Vorgeschichte von Frank
und Mika erfahren hat, fällt es ihm schwer zu sagen, wer
wirklich schwach bzw. stark ist.
Elke Naters schreibt kurze, einfache Sätze, die wie unsere
Alltagsgedanken sind. Das Buch liest sich schnell, doch es läßt
einen nicht kalt. Immer wieder begegnet man plötzlich einer
Beobachtung, in der man sich - etwas beschämt - erkennt.
Darin ähnelt Mau Mau seinem erfolgreichen Vorgänger
Lügen, einem Alltagsroman, in dem allerdings sehr
viel mehr geschieht. Ist also der Urlaub - vielleicht wegen des
Spaßzwangs? - eher langweilig, während die wirklichen
Abenteuer im Alltag geschehen?
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