Klaus Kinski: 'Ich bin so wie ich bin'

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Rezensionen

Klaus Kinski: Fieber / Ich bin so wie ich bin (Katalog)
 

Zweimal Kinski
Andreas Heckmann

Auf einem Foto Helmut Newtons steht ein weißer Muskel-Schönling mit dem Rücken vor einer überbelichteten Ziegelwand und blickt unter hängenden Lidern in die Ferne. Links von ihm - so denkt man im ersten Moment - befindet sich sein Schatten. Dabei ist es ein Plakat, auf das die schwarze Silhouette eines Mannes für Schießübungen gedruckt ist. Im Umriß des saftigen weißen Jünglings Dolph steht Grace Jones im Profil und blitzt den Betrachter an. Der männliche weiße Körper wird zur Schmuckschatulle des weiblichen schwarzen Körpers. Und zu einem eigenartigen Zwitter aus Beschützer und Bedränger, denn er hält bei all seiner Statuenhaftigkeit die Frau mit seinen Pranken an ihrem der Kamera zugewandten Oberarm fest. Man mag das Foto als rassistisch und sexistisch empfinden. Sucht da nicht ein wildes, schwarzes Weibchen bei einem weißen, männlichen Heros Schutz? Viel wichtiger aber scheint mir, daß Elemente des Anderen hier in einen sehr dichten, ästhetisch perfekt durchkalkulierten Bildzusammenhang gebracht sind. Und damit zu Klaus Kinski. Als er mit Werner Herzog 1987 Cobra Verde filmte, ließ er sich am Strand bei einer Drehpause in voller Fantasie-Uniform mit einer jungen, nackten Schwarzafrikanerin ablichten. Mit wildem blondem Haar, bösem Blick und herrlich großem Mund grimmt Kinski, eine Hand in der Hosentasche, in die Kamera, während die Frau - das Haar zu vielen kleinen Zöpfen gedreht, den Unterarm entspannt vom Körper weggehalten - ins Weite, womöglich übers Meer schaut. Bemerkt sie überhaupt, daß Kinskis andere Hand mit abgespreiztem Zeigefinger auf ihrer Taille liegt? Auch hier liegen die Vorwürfe des Rassismus und Sexismus sehr nah. Und doch wirkt der Sklavenhändler Kinski nackt, unfrei und dem Kameraauge ausgeliefert. Er hat in seinem Grimm etwas Bittendes, beinahe Flehendes. Klar, daß er toben könnte, wenn er wollte, pöbeln, schreien, rasen. Klar auch, daß die junge Frau ihre Ruhe nicht verlieren würde.
Klaus Kinski ist ein Augen- und ein Ohrenschmaus, Dämon und Besessener zugleich. Er ist ein Künstler, aber kein Literat und erst recht kein Lyriker. In den späten 50ern und frühen 60ern war er ein legendärer Rezitator und füllte ganze Hallen mit Villon und Rimbaud, aber auch mit Schiller, Brecht, Tucholsky. Der Wille, sich selbst darzustellen und ein Publikum in Bann zu schlagen, ließ ihn auch mal die Texte verändern - Hauptsache Wirkung (und Broterwerb). Und dieser Mann soll 1952 in Paris im genialischen, bei Villon und Rimbaud abgeschauten Duktus Liebesgedichte an eine reichlich mysteriöse Frau geschrieben haben, die Eichborn im Frühsommer 2001 rausgebracht hat, nachdem sie zufällig auf einer Auktion auftauchten? Abenteuerlich, daß die Literaturkritik dieser Legende trotz der obskuren Provenienz der Texte aufgesessen ist. Oder haben da die Kritiker augenzwinkernd und händereibend gemauschelt und die wohl von Kinski-Freund Thomas Harlan kurz zuvor verfassten Gedichte einfach mal gehypt? Ob so oder so - es hat einen schalen Beigeschmack. Die literarische Qualität der Pseudo-Kinski-Ergüsse sei hier gnädig und unter Hinweis auf den entlarvenden Artikel Kinski oder nicht Kinski? von Gabriele Killert und Richard Schroetter (Die Zeit, 23.8.2001) beschwiegen. Nicht verschwiegen werden soll allerdings, daß Thomas Harlan - Sohn Veit Harlans und Verfasser des monströsen Romans Rosa - "Kinskis" Gedichten eine Einleitung vorausgeschickt hat, die in ihrem raunend funkelnden Pathos und ihrer gesucht elitären Sperrigkeit einen Kontrapunkt zu den Gedichten bildet, die genialisch hingerotzt sein sollen. Hatte sich Harlan im Frühsommer schon bei Boulevard Bio mit dem Geständnis in Szene setzen dürfen, daß er seinen Freund Kinski Ende der 50er Jahre verraten habe, so ist es dem reuigen Sünder mit seiner aufgeblasenen Einleitung zu den gefakten Gedichten nun gelungen, Kinski posthum einen Tort anzutun. Die Toten als Verfügungsmasse der eitlen Überlebenden - ein altes, trauriges Spiel. Und der Anblick eines aufgeschwemmten Ben Becker, der im Juni in einem ARD-Kulturmagazin seine feuchte Aussprache an den erotischen Gedichten "Kinskis" vorführen durfte und zwischendurch Elogen auf den wilden Klaus stammelte, gehört für mich zu den trüben Highlights der TV-Kulturberichterstattung. Klaus Kinski, der große Selbstdarsteller, läßt andere Selbstdarsteller eben alt aussehen. So ärgerlich der Gedichtband, so bestechend der Katalog zur Kinski-Ausstellung im Deutschen Theatermuseum München (Sommer 2001). Die Beiträger setzen sich nicht als Trittbrettfahrer des Phänomens Kinski in Szene, sondern präsentieren eine facettenreiche, zurückhaltend kommentierte Auswahl vieler Fotos, die den Schauspieler durch die Stadien seiner Selbstinszenierung begleiten. Von frühen Theaterrollen in Berlin über das an Kinskis Eitelkeit schnell gescheiterte, so ersehnte Engagement am Burgtheater und die Jahre als Rezitator wird ein schöner Bogen zu den trashigen Filmen seit den frühen 60ern geschlagen, bei denen Kinski erst teuflisch und abgefeimt in deutschen Schwarzweiß-Produktionen agierte, dann als outlaw in Italo-Western und schließlich in den verschiedensten Wüstlings-Posen in oft fragwürdigen Streifen in aller Welt. Durch Filmplakate und Cover seiner Sprechplatten wird zudem die zeitgenössische Vermarktung Kinskis gezeigt. Privatfotos mit oft intimer Stimmung sind demgegenüber nur schwach vertreten. Aber das paßt wohl zum Leben eines Mannes, der seinen Traum vom Künstler und seinen Anspruch an die Kunst in einer langen Reihe spektakulärer und damit notwendig redundanter Gesten und Ausbrüche auf Bild- und Tonspuren gebracht hat. Daß er ein hochsensibler Mann war, dessen Aggressionen nur die andere Seite seiner Ohnmachtsgefühle waren, wird in fast jedem dieser Bilder deutlich. Und die Art und Weise, wie die Produktionsfirma ihn zu Lebzeiten um den Erfolg seines Traumprojekts Kinski Paganini (1987/88) gebracht hat, zeigt exemplarisch, wie recht er hatte zu toben.

 

Klaus Kinski: Fieber. Tagebuch eines Aussätzigen. Gedichte. Herausgegeben von Peter Geyer. Mit einem Vorwort von Thomas Harlan. 128 Seiten. Eichborn Verlag. Frankfurt am Main 2001. 49,80 DM.

Peter Reichelt und Ina Brockmann (Hrsg.): Klaus Kinski - Ich bin so wie ich bin [Katalog zur Ausstellung im Deutschen Theatermuseum München]. 288 Seiten. Deutscher Taschenbuch Verlag. München 2001. 49,- DM.