Presse 2000-2005
Andere Stimmen über uns

 

In der Münsteraner Zeitschrift Am Erker, die unter dem Stichwort "Abenteuer" von außerordentlichen Vorgängen zu berichten verspricht und die doch mehr kaum enthält als die Schreibübungen von Autoren, für die das Abenteuer gleich nebenan beginnt: in einer vertrauten Umwelt, die nur leicht verrückt wird. Märchenhaftes und Banales wechseln, und im Grunde stößt nur ein Text, geschrieben von der 1961 geborenen Sabine Peters, vor in Bereiche, in denen Literatur belangvoll wird.

Roland H. Wiegenstein, Frankfurter Rundschau, 7.10.2000

 

So enthält die aktuelle Nr. 39 des kleinen Literaturmagazins Am Erker neben einem neuen erzählerischen Meisterstück aus der Kollektion des Georg Klein ein kleines Dossier über die Schriftstellerin Sabine Peters, eine literarische Aussenseiterin fern des "Fräuleinwunder"-Rummels, die mit ihrer politischen und sprachlichen Radikalität den derzeit erfolgreichen, weichgespülten Realismus-Konzepten schroff opponiert.

Michael Braun, Basler Zeitung, 3.11.2000

 

Aus dem Heft für linke Alltagslyrik wurde ein ebenso anerkanntes wie unabhängiges Forum für Kurzprosa aufstrebender Autoren. In edlem schwarzem Einband, professionell lektoriert und sauber layoutet, ist Am Erker auch optisch längst erwachsen geworden. Heute zählen sogar die berühmten US-Universitäten Berkeley, Yale und Harvard zu den Abonnenten.

Michael Harde, Welt am Sonntag, 15.9.2002

 

Früher verirrten sich oft junge Schreiber in die Dahlweg-WG, immer am Montagabend, denn dann war Redaktionssitzung. Heute kommen viele Texte per Post. E-Mails nehmen die Erkeraner ungern an. "Die Qualitätsunterschiede sind furchtbar", sagen die Blattmacher unumwunden, geben aber auch Fehleinschätzungen zu. (...) Oft spielen Eitelkeiten eine Rolle, reagieren Autoren empfindlich auf Ablehnungen oder Kürzungen. "Mit vielen sind wir aber befreundet", entschärft Joachim Feldmann. Der Lehrer für Deutsch und Englisch wird bei der Erker-Party am Freitag allerdings auch einige Schreiber kennenlernen, die er bislang nur via Telefon und E-Mail kontaktiert hat. "Wir waren nie so richtig professionell, haben immer improvisiert", begründet Feldmann das lange Bestehen der Literaturzeitschrift, die mitansah, wie Konkurrenzblätter nach ein, zwei Ausgaben eingestampft wurden.

Andrea Bergmann, Westfälische Nachrichten, 25.9.2002

 

Am Erker dürfte die dienstälteste Literaturzeitschrift aus dem alternativen Spektrum sein, und das ist ja durchaus ein schöner Grund zum Feiern. So haben sich auch zahlreiche Autoren zusammengefunden, um dies angemessen zu begehen: Thomas Glatz, Tanja Dückers, Michael Wildenhain, Jaromir Konecny und Jürgen Roth wären da beispielsweise zu nennen. Besonders gut gefallen haben mir "Die Butterbaum-Papiere" von VerstAnd (eine reichlich fiktive aber sehr amüsante Lebensgeschichte der realen, aber recht unlustigen Dichterin Annette von Droste-Hülshoff) sowie "War Wilhelm-Busch der bessere Wagner?" von F. W. Bernstein, der herausgefunden hat, wie eng das Werk der beiden so "unterschiedliche(n) Genies" miteinander verbunden ist, schließlich erschien "der Großerfolg Max und Moritz ... im selben Jahr wie Wagners Hauptwerk Tristan und Isolde". Wenn das kein schlagender Beweis ist! Das eigentliche Überthema zu dieser Jubiläumsausgabe heißt jedoch "Kurze Geschichten aus dem Fiktiven Alltag". Ein dementsprechend breites Spektrum decken die Stories ab: Melancholie, Ironie, Zynismus, "Surrealismus" - keine Gemütsregung, die nicht ausgedrückt wird, kaum ein Stilmittel, das nicht Verwendung findet. Und das ist auch das einzig Negative, was ich über den Erker zu berichten weiß (ohne die ausgelassene Partystimmung torpedieren zu wollen): Der Lesefluss wird durch diese allzu große Abwechslung, die nicht immer durch hohe Qualität gestützt wird, gehemmt, denn so ein Wechselbad der Gefühle und Eindrücke ist nicht jedermanns Sache - jedenfalls geht es mir so. Jedoch sehr lesenswert sind die in der Regel recht ausführlichen Buchrezensionen, durch die man einen schönen Überblick über die mehr oder minder wichtigen Veröffentlichungen der letzten Monate bekommt. Auch hier lässt sich die Zeitschrift nicht einschränken, ob Mainstream oder Underground - Erwähnung findet, was den Rezensenten wichtig erscheint. Jedenfalls hoffe ich, dass uns der Erker noch lange erhalten bleibt. Wie gesagt: 25 ist ja kein Alter!

Axel Klingenberg, SubH, März 2003
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Am Erker bleibt derweil der experimentierfreudigste Ort für phantastische, die Alltagserfahrung aushebelnde Kurzgeschichten. Neben einigen schönen Fallbeispielen scheiternder Liebeswünsche (Volker Kaminski und Roswitha Haring) präsentiert Am Erker ein kleines Wunder an literaturkritischer Boshaftigkeit: den "Fischwickel" - eine Liste mit den absurdesten Buchtiteln der Gegenwartsliteratur.

Michael Braun, Basler Zeitung, 2.1.2004

 

Der Buchdeckel verspricht "Geschichten vom Essen und vom Trinken". Wer auf Appetitanregendes hofft, wird enttäuscht werden. Die Geschichten behandeln Gastronomisches meist nur beiläufig, meistens geht es um viel mehr, nämlich um den ganzen wahnsinnigen Menschen. Da gibt es zum Beispiel Despotie, Abhängigkeit, Betrug, Psychosen oder Hilflosigkeit. Eine Mischung wie ein Streifzug durch das Küchenkastl, von Brotparabeln (Markus Orths: "Spohns Brot") über Familiendramen in der Fischküche ("Das Muschelfleisch der Innenfläche atmete leicht", Silke Andrea Schuemmer: "Fische") bis hin zu Weihnachtsbäumen aus grünen Hühnerfedern (Charlotte Mutsaers: "Weihnachtsfest der Hühner"). Sarkasmus und dunkler Humor halten die Kurzgeschichten zusammen. Manchmal fühlt man sich beinahe ertappt. Benutzerhinweis: Nicht vor dem Essen lesen. Und ein guter Magen ist vermutlich auch kein Nachteil.

Johanna Scholz, Junge Welt, 6.7.2005
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"Fischwickel" heißt nämlich eine freche Kolumne dieser Zeitschrift, die im 28. Jahr ihres Bestehens ihrem westfälischen Nischendasein erfolgreich entkommen ist. (...) Es blieb genug ketzerische Energie übrig, um das Projekt Am Erker weiter zu betreiben und zu einem auf freche Abweichungsästhetik bedachten Literaturmagazin weiterzuentwickeln. Mittlerweile, nach 28 Jahren und 49 Ausgaben, hat sich Am Erker zum inoffiziellen Zentralorgan für phantastische Kurzgeschichten entwickelt. (...) In einer opulenten Jubiläumsausgabe der Zeitschrift hat Am-Erker-Redakteur Joachim Feldmann vor einiger Zeit eine kleine Poetik versteckt: "Warum", so Feldmann, "sollte sich ein Leser mit der detaillierten Schilderung fiktiver Lebensentwürfe auf vielen hundert Seiten abgeben, wenn eine Kurzgeschichte das fremde Schicksal in wenigen ausgewählten Sätzen darzustellen vermag?" Und diese Leidenschaft für Kurzgeschichten haben sich die Herausgeber bis heute bewahrt - und können nebenbei darauf verweisen, dass einige der profiliertesten Erzähler der Gegenwartsliteratur in Am Erker ihre ersten Geschichten veröffentlicht haben: Burkhard Spinnen und Georg Klein etwa, oder die in den letzten beiden Jahren bekannt gewordenen Autoren Markus Orths und Marcus Jensen. Das Glanzstück der Zeitschrift ist jedoch die schon erwähnte Kolumne "Fischwickel", die aufgrund ihrer Vorliebe für Klatsch und Tratsch ein außerordentliches Lese-Vergnügen bereitet. (...) Das ist alles sehr albern, aber es ermöglicht etwas, das wir im Literaturbetrieb fast ausgestorben wähnten: unzensierte Heiterkeit.

Michael Braun, Deutschlandfunk Büchermarkt, 26.8.2005

 

Münsters Literaturzeitschrift Am Erker spuckt sich in ihrer neuen Ausgabe lustvoll selbst in die Suppe. Das Thema der Texte lautet "Literarisches Scheitern" - und die Autoren schreiben ihren Ärger über den Kulturbetrieb und ihren eigenen Beruf teils so bitter nieder, dass der Leser eine Gänsehaut bekommt. Fesselnd ist die Selbstbespiegelung freilich dennoch.

Manuel Jennen (Münstersche Zeitung, 6. Dezember 2005)

 

Die Literaturzeitschrift Am Erker hat nun in ihrer Jubiläumsausgabe, der Nummer 50, eine kleine Literaturgeschichte des Scheiterns erstellt. Die Befunde, die hier in Erzählungen, Essays und witzigen Glossen zusammengetragen werden, sind allerdings von unterschiedlicher Überzeugungskraft. (...) Mit weit mehr Schwung und Witz (...) gehen in Am Erker die Schriftsteller Georg Klein, Karla Schneider und Sophie Andresky zu Werke. Wobei es sich im Falle von Frau Andresky nicht gerade um eine Expertin für das "Scheitern" handelt - kann die Autorin doch auf eine ganze Menge drastischer Erotik-Bestseller verweisen. In Am Erker erzählt Andresky nun eine heitere Geschichte vom Wahnsinn der Literaturwettbewerbe. Man hat es hier zum Glück nicht mit jener brachenüblichen Weinerlichkeit zu tun, mit der vor allem junge Autoren nach lebenslanger Subventionierung im Stipendienwunderland Deutschland flehen. Andresky protokolliert nur kühl die Absurditäten der Wettbewerbskultur. (...) Auch unter den Kurzgeschichten und lakonischen Anekdoten in Am Erker findet man einige Meisterstücke der Komik. Mit einigem Stolz präsentiert Georg Klein die fast unglaubliche Geschichte eines verschollenen Romankapitels, das nach dem Verlust fast wortwörtlich neu rekonstruiert wird. Karla Schneider erzählt die hinreißende Geschichte einer misslungenen literarischen Karriereplanung im deutschen Osten, die an den Begehrlichkeiten eines Kanusportlers scheitert. Eine gewisse Abgründigkeit gewinnt diese Literaturgeschichte des Scheiterns, wenn etwa das Verstummen des dereinst prominenten Autors Paul Schallück nachgezeichnet wird, der durch harsche Verrisse seines Opus magnum Don Quijote von Köln entmutigt wurde. Einer dieser Verrisse aus dem Jahr 1967 stammte von dem Kritiker Jürgen P. Wallmann, der im Rezensionsteil von Am Erker in alter Bissigkeit präsent ist.

Michael Braun, Saarländischer Rundfunk, 13.12.2005

 

Dabei kann man dieser Schwierigkeit, dass das verzwickte Thema sich dem unmittelbaren Zugriff hartnäckig entzieht und damit eine gleichsam sekundäre Form des Scheiterns erzwingt, den grössten Reiz abgewinnen. Jedenfalls liest sich das Heft auch seiner essayistischen Beiträge wegen mit beträchtlichem Vergnügen, selbst wenn das Scheitern dann nicht immer konkret und anschaulich wird. Phänomenologisch nehmen es dagegen die literarischen Beiträge in den Blick: Tanja Dückers erzählt von den Hindernissen, denen sie auf ihren Lesereisen begegnet ist. Georg Klein wiederum schildert, wie ihm das Manuskript eines Kapitels seines Romans Libidissi abhanden gekommen war und wie er dieses noch einmal neu aus der Erinnerung "erfinden" musste. Erst nach Erscheinen des fertigen Romans kam ihm das verlorene Kapitel wieder in die Hand. Und nun präsentiert er den Lesern der Zeitschrift einen ebenso erstaunlichen wie ernüchternden Textvergleich: Die beiden Textfassungen unterscheiden sich lediglich marginal.

Roman Bucheli, Neue Zürcher Zeitung, 6.1.2006

 

Dass man eine Menge Energie haben muss, nicht nur beim Schreiben, angesichts des täglich drohenden Scheiterns, sondern auch angesichts des realen Scheiterns auf dem Buchmarkt, das verhandelt die in Münster ansässige und zweimal jährlich produzierte Literaturzeitschrift Am Erker. (...) Die Geschichten stammen meist von etablierteren Autoren, die schon auf eine Reihe von Veröffentlichungen blicken können. David Wagner erzählt, wie er eines Tages seine Bücher auf dem Grabbeltisch findet und was das für ein Gefühl ist. Marcus Jensen schreibt zwei Briefe an einen jungen Kollegen, gibt ihm zweimal zehn rostig-goldene Regeln mit auf den Weg und denkt den möglichen postumen Ruhm gleich mit: "Wenn Sie an Ihren Nachlass denken, ist das Selbstbefriedigung mit Vorlage." Auch Georg Klein ist dabei, wohl gerade weil er am besten weiß, wie das Scheitern sich anfühlt: Jahrelang schrieb Klein für die Schublade, bevor er mit den Romanen Libidissi und Barbar Rosa in seinen späten Vierzigern noch ein Literaturstar wurde.

Gerrit Bartels, taz, 10.1.2006
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