Aus dem Nähkästchen geplaudert
Steffen Roye
Es ist gesellschaftlich anerkannt, als Dachdecker
oder Informatiker sein Geld zu verdienen, aber als Autor? Spitzweg
hat das Dilemma einst treffend bebildert: der arme Poet, immer
kreativ, ein bisschen von der Rolle, aber um Himmels Willen kein
Geld verdienend. Wenn man heute die Diskussionen zum Thema Urheberrecht
verfolgt, stellt man fest: An diesem Bild hat sich wenig geändert.
Und dann kommt da einer und plaudert aus dem Nähkästchen,
"aus dem Leben eines Lohnschreibers". Koketterie hin
oder her - eine solche Offensive ist erst einmal charmant. Warum
sollte man als Schriftsteller nicht auch sein regelmäßig
Brot und seinen italienischen Landwein verdienen?
Joseph von Westphalen, Jahrgang 1945, beleuchtet in vierzehn Geschichten
unaufgeregt und mit Esprit Aspekte seiner Arbeit, vom Redenschreiben
über Schreibblockaden bis zur Kleiderwahl bei Buchmessen,
und amüsiert sich über eine Gesellschaft, "die
einiges Geld dafür ausgibt, sich von Künstlern verspotten
zu lassen." Das liest sich recht unterhaltsam. Für mich
war es eine schöne Sommerlektüre. Mehr allerdings nicht.
Mehrmals schreibt der Autor, scheinbar abgeklärt, dass die
großen Literaturpreise an ihm vorbeigingen und er deshalb
auf Auftragsarbeiten angewiesen sei. Als Küchenpsychologe
erkennt man leicht, dass ihn das durchaus wurmt. Doch ganz zu
Unrecht ist es auch nicht geschehen. Gar zu routiniert und sprachlich
unauffällig kommt manches daher, gerade zu Beginn. Er teilt
seine Geschichten in "halbwahr", "fast wahr"
und "ganz wahr" ein und gibt nicht zuletzt durch einige
Nachbemerkungen einen authentischen Blick in seine Schreibwerkstatt.
Dabei wird er besser, je weiter das Buch fortschreitet: Am pointiertesten
sind ausgerechnet die Texte, die nach eigenem Bekunden nichts
als die Wahrheit kundtun. Der Anfang ist, wie gesagt, bisweilen
etwas schnöde; auch stört mich dort - das mag durchaus
geschmäcklerisch sein - das Altherrenhafte mancher Passagen.
Ewig lockt das Weib, und jung muss das Weib sein, natürlich.
Der Autor lebt ja nicht vom Lohnschreiben allein.
Zu Hochform läuft er in der vorletzten Geschichte auf, dem
Resümee eines Vortrags auf einer von Maxim Biller organisierten
Tagung, dem er hintersinnig-provokant den Titel "Für
Geld schreibe ich alles (so, wie ich es will)" gibt. (Gleichzeitig
das Motto seiner ganzen Arbeit: Auch wenn er seinen Auftraggebern,
ob Bank oder Feinschmecker-Postille, zunächst ostentativ
herablassend entgegentritt und deren Offerte dann doch akzeptiert,
lässt er sich nicht verbiegen, und im Notfall gibt es ja
immer noch die herrliche Erfindung des Ausfallhonorars.) Nicht
ganz unrecht hat er, wenn er den Tagungsteilnehmern polemisierend
zuruft, es tue einem Text besser, nach Belohnung durch Geld zu
schielen als ausschließlich auf Belohnung durch das feine
Feuilleton. Der eine Text sei an klare Abgabedaten gebunden und
konsequent auf seine Leser abgestellt - was freilich auch als
Ausrede benutzt werden kann -, der andere komme oft gestelzt daher
oder werde womöglich nie fertig. "Du lässt dich
vom Markt erziehen", maßregelt ihn einer der Zuhörer,
und von Westphalen kontert: "Nein, ich zahle es dem Markt
heim!" Wie es wäre, Leser wie Feuilleton gleichermaßen
zu begeistern, wird hier freilich nicht erörtert.
Der Autor bricht mit seinen Erzählungen eine Lanze für
seinen Berufsstand und demonstriert trotz seines Understatements
immer wieder, wie belesen er ist. Ich fürchte, für die
großen Preise wird es auch diesmal nicht reichen. Unterhaltsam
und aufschlussreich ist das Buch aber allemal.
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