Zittern und ruhen
Rolf Birkholz
Ganz genau schaut Georg Veit hin. Er beobachtet
und fügt auch sprachlich zusammen, was beieinander ist, was
beieinander zu sehen ist. Er sichtet Daseinsbestände, wie
sein Gedichtbogen betitelt ist. Ein halber ist es eigentlich nur,
erschienen in der Halbe-Bogen-Reihe des gleichnamigen Göttinger
Verlags. Nur 16 Gedichte enthält er, aber die haben es in
sich.
So exakt Veit hinsieht, so streng komponiert er seine Lyrik. Sieben
Verse umfaßt jedes dieser ungewöhnlich, aus je einem
Haiku und einer sapphischen Strophe, zusammengesetzten Gedichte.
Dabei gelingt es ihm, der jeweils vorangehenden japanischen Textform
Eigenständigkeit zu belassen und zugleich mit der folgenden
altgriechischen Odenstrophe zu vereinen.
In den "Zittern" überschriebenen ersten acht dieser
Drei-plus-vier-Gedichte bebt und vibriert, flattert, zuckt und
zittert es allenthalben. Ein frisch gefällter Kirschbaum
verströmt süßen Duft, ein Spinnennetz bebt von
einem "herbstlichen Aufprall", Sterne funkeln unruhig,
ein Luftstrom läßt die Pfütze nicht zum Spiegel
werden.
In der zweiten Abteilung, "Ruhen", eine ähnliche
Gesichtssuche. "Bild im Kaffee schwankt / Auf der Folie eines
/ Sees zwischen Mohn und / Anemonen", heißt es dort.
Da mischt sich, zwischen Narzißmus und dem Wunsch nach Selbsterkenntnis,
schon ein interpretierendes Moment in die Dingwelt.
Und wenn der 1956 geborene Münsterländer Georg Veit
zu einem fallenden Jasminblatt anmerkt: "(...) wer möchte
es übern Winter hängen / Sehn im Frühlingssturm
über Ostern nähm der / Henker es vom Holz / würf
es hart herab", so ist hier ein Restbezug auf die in und
über den Naturkreislauf gelegte christliche Passionserzählung
zu entziffern, auch wo diese vielleicht unterlaufen werden soll.
Doch ist der Auffassung der Verlegerin Anna Helene Kurz grundsätzlich
zuzustimmen, daß Veits Verse "nicht als Belege für
etwas anderes taugen." Der Autor gebe "der Dinglichkeit
die Ehre." Er tut es mit konzentrierter Verhaltenheit. Indem
er es aber als Person tut, bleibt er natürlich eine Kopfhöhe
über den Dingen. Auch wenn er in den See blickt, wo tief
unten zeitenthoben ein Fisch ruht, oder sich mit dem letzten Vers
wünscht, "daß man schläft und endlich / Nur
so wie Schnee lebt."
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