Und wie geht's weiter?
Fritz Müller-Zech
Eigentlich hatte er das Leben seines Helden als
"und dann"-Geschichte erzählen wollen, doch das
schien ihm zu wenig literarisch, und gemocht hätten es die
Literaturkritiker sicher nicht, so entschied er sich, seine Sätze
zwar mit "und" zu verbinden, aber gegen Ende immer eine
Inversion zu benutzen, das heißt, das Prädikat dem
Subjekt voranzustellen, und jedes Mal war er zufrieden, wenn ihm
ein solcher Satz gelang. Nun ist so ein Stil zwar schon recht
markant, fand er, und daß die Leser aufhorchen würden,
doch so richtig interessant würde sein Buch erst werden,
wußte er, wenn durchschütteln würde die Chronologie
der Ereignisse er. Denn das hält den Leser so richtig über
500 Seiten bei der Stange, wenn er erst nur erfährt den Namen
der Frau, mit der es sein Held treibt, und später wird ihm
die ganze Geschichte rückwärts erzählt.
Im Rückblick hatte er also alles richtig gemacht, und der
Zuspruch der Literaturkritik blieb nicht aus, und das gefiel ihm,
wenn es gar zu einer Kontroverse kam wegen seines Romans, und
bald mußte die dritte Auflage gedruckt werden. Auch der
Kritiker Fritz Müller-Zech las das Buch und freute sich zunächst
auf einen historischen Roman, in dem die Geschichte der beiden
deutschen Staaten den Hintergrund lieferte für ein pralles
Leben, und er las und las, während immer mehr das Gefühl
sich einstellte, er sehe fern und schalte zwischen verschiedenen
Folgen der Uralt-Serien "Stahlnetz" (West) und "Polizeiruf
110" (Ost) hin und her, erblickte hier ein ungemachtes Bett
und dort eine halbleere Schnapsflasche, auch Männer in verschwitzten
Nyltesthemden mit schief sitzenden Krawatten und Frauen im Unterrock
vor Frisierkommoden und manchmal ein Gefängnis von innen.
Und er bewunderte den Autor Michael Kumpfmüller wegen seines
Stils und seiner Konsequenz, konnte sich aber dennoch nicht erwehren
des Gefühls einer großen Müdigkeit, die mündete
in Erleichterung, als mit Erreichen der Seite 494 zuklappte er
das Buch.
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