| WesternMichael Harde
 "Keen Bock uff Eifel", sagte der Berliner, 
                der am Rhein stand und nach Belgien wollte. Drehte und ward nicht 
                mehr gesehen. Typisch Stadtmensch, kann kein Terrarium im Wohnzimmer 
                ertragen - diese schreckliche Wildnis und Weite. Und schrecklich 
                ist auch das Image der Eifel. "Dritte Welt" wird sie 
                genannt oder "Rheinisch Sibirien", neun Monate kalt 
                und ein Vierteljahr schlechtes Wetter. Ausgerechnet an dieser westwärtig-windigen Kante Deutschlands, 
                in dem verlorenen Kaff Keldenich, zwischen Einöd-Gehöften, 
                Steinbrüchen und einem alles beherrschenden Zementwerk wagt 
                der Endvierziger Norbert Scheuer seinen Erstlingsroman Der 
                Steinesammler. Mitten hinein in eine Zeit, in der sich Verlage 
                wie die Geier auf Hart-ist-das-Leben-ohne-Mutti-Romane milchbärtiger 
                Pickelausdrücker stürzen, die selbstverliebt über 
                ausgelatschte Großstadtpisten trampeln. Doch der Schöffling-Verlag 
                traut sich an einen Roman über zurückhaltende Personen 
                vor dem Hintergrund geknickter Fichtenwälder. Wer wagt, gewinnt.
 Kernig und knochentrocken erzählt Scheuer eine bittere Geschichte 
                von erwachsenen Menschen mit echten Problemen. Menschen, die hoffen 
                und träumen, verlieren und versagen, ohne die passende Pose 
                parat zu haben. Jämmerlich sieht Maschinenmann Balder aus, 
                als er seine alte Liebe Milli in Keldenich wiedersieht. Vor Jahren 
                ging sie nach Köln, jetzt ist sie zu Besuch, sitzt auf der 
                Friedhofsmauer und schlenkert mit den Beinen. Mit schönen 
                Beinen. Eine kurze verliebte Episode folgt, dann ist Milli weg 
                wie ein Spuk und Balder zurück im realen Leben mit allem, 
                was die abseitige Provinz zu bieten hat: Im Steinbruch Staub fressen, 
                in Delamots Frisiersalon das Maul aufreißen und es in Dahmens 
                Kneipe wieder zuschütten. Runterschlucken und Weitermachen.
 Und in Berlin soll das Leben hart sein? In einer Stadt, wo die 
                ganze Nacht Straßenbeleuchtung brennt, und die U-Bahn bis 
                drei Uhr morgens fährt? Kein Wunder, daß sich die Pimpfe 
                nicht in die Eifel trauen.
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