Am Erker 74

Johannes Schweikle: Die abenteuerliche Fahrt des Herrn von Drais

 
Rezensionen

Johannes Schweikle: Die abenteuerliche Fahrt des Herrn von Drais
 

Blutleerer Fahrraderfinder
Matthias Kehle

Vor allem im Badischen wird er dieses Jahr gefeiert: Karl Freiherr von Drais, der Erfinder des Fahrrads. 200 Jahre ist es her, dass er mit seinem Laufrad von Mannheim nach Schwetzingen rollte oder sich das Murgtal hinaufquälte. Es war abzusehen, dass sich der eine oder andere Schriftsteller diesem Thema annehmen wird. Der Freudenstädter Johannes Schweikle, der durch ein großartiges Buch über den Westweg bekannt wurde, hat sich daran versucht und eine Romanbiografie über Die abenteuerliche Fahrt des Herrn von Drais geschrieben. Das schmale Büchlein ist jedoch in mehrfacher Hinsicht eine Mogelpackung. Schweikle erzählt Drais' Leben aus der Sicht seines nun greisen Assistenten. Das biografische Material über den unglückseligen Erfinder ist dünn, leicht zu recherchieren bzw. hinlänglich bekannt. Der halbwegs gebildete Leser hat deshalb oft Aha-Effekte, wenn Schweikle etwa seinen Erzähler vom zerrütteten Verhältnis Drais' zu seinem Vater berichtet, von seinem unfreiwilligen Exil im Odenwald und raschem gesellschaftlichen Abstieg. Völlig unglaubwürdig ist, dass weiland in den markgräflichen Salons bei reichlich Tabakrauch darüber sinniert wurde, ob der Vulkanausbruch des Tambora und "das Jahr ohne Sommer 1816" die Erfindung des Fahrrades zumindest begünstigt hat. Auch heute noch ist diese These wissenschaftlich zumindest heftig umstritten.
Offenbar trägt das recherchierbare Material über Karl Drais nicht für einen ganzen Roman, und so lässt Schweikle seinen Protagonisten von der allmählichen Verfertigung des Fahrrads, wie wir es heute kennen, berichten - Drais war schon lang tot, als etwa das Pedal erfunden wurde. Eine Pointe ist die Erfindung des Autos, des dreirädrigen Velozipedes. Schweikles Erzähler, ehemals rechte Hand des Freiherrn, wurde Wagner und stellte für das erste Automobil die Reifen her. Wer keinen Roman und keine Biografie erwartet, dem sei Schweikles Buch dennoch empfohlen. Man erfährt reichlich über die Entwicklung der Mobilität, ein wichtiges Kapitel der Moderne. Der Freudenstädter Autor erzählt bildhaft, eindringlich und kenntnisreich. Die abenteuerliche Fahrt des Herrn von Drais ist also Infotainment der besten Sorte. Nicht mehr, aber auch nicht weniger.

 

Johannes Schweikle: Die abenteuerliche Fahrt des Herrn von Drais. Eine Romanbiografie. 166 Seiten. Klöpfer & Meyer. Tübingen 2016. € 20,00.