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Kiepenheuer & Witsch
Götz Werner

 
Rezensionen

Götz W. Werner: Einkommen für alle
 

Nicht vom Brot allein
Rita König

Für all diejenigen, die noch nie etwas von Götz Werner gehört oder gelesen haben, steht es gleich im Untertitel: "Der dm-Chef über die Machbarkeit des bedingungslosen Grundeinkommens".
Man mag über die Wortwahl stolpern - auch ein Sachbuchautor sollte eine bessere Formulierung finden als "Machbarkeit", aber sofern das nicht davon abhält, das überaus spannend geschriebene Buch zu lesen, hält der Inhalt weit Streitbareres bereit als Wortspiele.
Es geht, so der Autor selbst, um die "radikalste mögliche Form des Sozialismus wie die des Kapitalismus". Jedem Bürger soll zukünftig ein Grundeinkommen zustehen und das bedingungslos. Keine Prüfung, keine seitenreichen und menschenunwürdigen Antragsformulare und -prüfungen. Die alleinige Bedingung an dieses "Kulturminimum" (das über das bloße Existenzminimum heutiger Hartz-IV-Zahlungen hinausgeht) sei zugleich ein menschenimmanentes Bedürfnis, etwas für sich selbst Sinnvolles und für die Gesellschaft Nützliches zu tun.
Bevor man noch zu einem "aber" ansetzen kann und daran denkt, dass es doch die sogenannten "Reichen" nicht nötig hätten, ein Grundeinkommen zu beziehen, nimmt Werner einem den Wind aus den Segeln: Der Steuerfreibetrag von heute gilt auch für Millionäre.
Gegen Kritiken der "Hängemattenmentalität" ist er ebenso gewappnet und antwortet schlagfertig und detailliert, ohne jene Minderheit zu vergessen, die sich mit einem Grundeinkommen zufriedengeben würde.
Für alle anderen malt er ein farbenfrohes und heiteres Bild: kein Verkauf der Arbeitskraft mehr an den übellaunigen Chef, nur um die Miete oder das Eigenheim finanzieren zu können; arbeiten, weil es Spaß macht. Viel mehr Arbeitsplätze würden entstehen und vor allem bezahlbar werden, denn durch diesen "Sockelbetrag" hätten Arbeitnehmer und Arbeitgeber einen viel größeren Spielraum. Zum Beispiel auch, um Leistungen zu erbringen für Alte, Kranke und Kinder, die sich nicht in Produktivitätszahlen messen lassen. Unabhängigkeit für Hausfrauen und -männer verspricht das, und für Alleinerziehende. Traumhaft. Aber: Wer soll das bezahlen?
Die Finanzierung eines Betrages von 750 Euro monatlich sei bereits heute möglich, behauptet Werner und verweist auf eine Berechnung der Konrad-Adenauer-Stiftung, und obgleich er sich wortreich davor hütet, weitere Zahlen offenzulegen, findet man mehrfach die Nennung eines Betrags von 1.500 Euro als Zukunftsversion. Pro Person, wohlgemerkt, und als Grundrecht bereits in der Verfassung verankert, jedenfalls nach Werners Worten: "Wenn das Recht, in Würde und Freiheit zu leben, bedingungslos ist, dann muss auch das Recht auf Essen, Trinken, Kleidung, Wohnung und auf grundlegende gesellschaftliche Teilhabe bedingungslos sein."
Die fehlenden Kalkulationen nimmt man dem Autor nicht übel, weil er den Kritikern entgegegnet: "Es wäre mir lieber, wenn möglichst viele die Idee des Grundeinkommens erst einmal denken könnten, bevor die großen Berechnungen angestellt werden." Kurzweilig und dennoch mit betriebs- und volkswirtschaftlichem Vokabular untermauert, bezieht Werner Richtigstellungen theologischer Zitate ("Wer nicht arbeiten will, soll auch nicht essen") ebenso in seine gedanklichen Exkurse ein wie Lehren von Marx und Weisheiten von Theodor Storm ("Der eine fragt: Was kommt danach? Der andre fragt nur: Ist es recht? Und also unterscheidet sich der Freie von dem Knecht."). Das gezeichnete Menschenbild erscheint utopisch, wenn nicht gar weltfremd. Ist nicht auch an einem falschen Menschenbild (neben all den wirtschaftlichen Fehlern) gerade ein System gescheitert?
Natürlich plädiert Werner nicht für ein anderes System, sondern wettert gegen die heutige Unternehmensbesteuerung. Er ist schließlich erfolgreicher Geschäftsmann; und Versuche, ihn in eine "linke" Ecke zu schieben, weist er zurück.
Und wo soll das Geld dafür nun herkommen? Aus einer wirklichen Konsumsteuer, sagt Werner. Denn die ausgewiesene Mehrwertsteuer mache nicht einmal die Hälfte dessen aus, was schon an sonstigen Steuern in das Produkt, das wir (nicht nur in in seinen Drogeriemärkten) erwerben, "eingepreist" worden ist.
Wie nebenbei erfährt man beim Lesen des Buches viel über die Unternehmenskultur bei dm, so dass man sich unwillkürlich fragt, warum man sich dort noch nicht beworben hat. Und nicht zuletzt findet man neben einer historischen Zusammenfassung all dessen, was uns heute ein Umdenken so schwer macht, die Überlegungen für Deutschland eingebettet in die gesamte globalisierte Welt. Ein Buch, das zum Widerspruch reizt und zum Nachdenken anregt.

 

Götz W. Werner: Einkommen für alle. 221 Seiten. Kiepenheuer & Witsch. Köln 2007. € 16,90.