Presse 2006-2009
Andere Stimmen über uns

 

Mit einem eindringlichen Appell haben sich gestern die Produzenten der münsterschen Literaturzeitschrift Am Erker an den Rat der Stadt gewandt. (...) "Ohne die 2000 Euro weiß ich nicht, wie es weitergehen soll", sagt Mitbegründer Michael Kofort. Der Zuschuss mache ein Viertel des Gesamtetats für Layout und Druck aus. Da die sechs Mitarbeiter ohnehin ehrenamtlich tätig seien und die Autoren kein Honorar erhielten, gebe es kein Sparpotenzial mehr. Das 51. Heft über "Eltern" werde zurzeit vorbereitet, ob es erscheinen könne, sei jedoch ungewiss.

Manuel Jennen, Münstersche Zeitung, 8.3.2006

 

Ausgerechnet mit dem Erscheinen der 50. Ausgabe droht dem 1998 mit dem renommierten Calwer Hermann-Hesse-Preis als beste deutsche Literaturzeitschrift ausgezeichneten Münsteraner Am Erker das Aus. Der Kulturausschuss der Stadt Münster hat im Rahmen von Sparmaßnahmen beschlossen, dem Rat die Streichung des jährlichen Zuschusses vorzuschlagen. Dabei handele es sich um eine Summe von nur 2000 Euro, deren Wegfall aber die Existenz der Zeitschrift stark gefährden würde. "Für eine Stadt, die noch vor nicht allzu langer Zeit 'europäische Kulturhauptstadt' werden wollte, ist das wahrhaftig kein Ruhmesblatt", sagte Joachim Feldmann, Mitgründer und einer der Herausgeber der Zeitschrift. (...) Erst vor kurzem erschien die 50. Ausgabe der Zeitschrift, die sich, beinahe prophetisch, dem "Scheitern" in der Literatur widmet. Falls sich Münsters Rat auf seiner Sitzung am 5. April nicht eines Besseren besinnt, könnte für eine der profiliertesten deutschen Literaturzeitschriften das letzte Stündlein geschlagen haben.

N.N., Westfälische Nachrichten, 8.3.2006
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1977 gegründet, fanden später namhafte Schriftsteller im Erker erste Publikationsmöglichkeiten, darunter Georg Klein und Burkhard Spinnen. Jetzt hat der Kulturausschuss der Stadt Münster im Rahmen von Sparmaßnahmen vorgeschlagen, den jährlichen Zuschuss für die Zeitschrift zu streichen. Nach Darstellung der Zeitschrift geht es um 2000 Euro. Die 50. Ausgabe der Zeitschrift befasst sich - man könnte von Ironie sprechen - mit dem Scheitern in der Literatur.

N.N., Frankfurter Rundschau, 8.3.2006

 

Am Erker, (...) zu einem angesehenen Forum für Gegenwartsliteratur geworden und 1998 mit dem Hermann-Hesse-Preis der Stadt Calw geadelt, ist in ihrer Existenz gefährdet. Die 2500 Euro, mit denen die Stadt Münster sie seit vielen Jahren alimentiert, sollen nicht, wie die Verwaltung vorschlug, auf zweitausend Euro gekürzt, sondern ganz gestrichen werden. (...) Gerade mal siebentausend Euro beträgt der Etat, tausend Exemplare die Auflage, Honorare werden keine bezahlt, die sechs festen Mitarbeiter sind engagierte Selbstausbeuter. Für Münster geht es darum, was der Stadt, die den "Preis für Europäische Poesie" vergibt, ihr literarisches Leben wert ist.

Andreas Rossmann, Frankfurter Allgemeine Zeitung, 16.3.2006

 

Die komplette Streichung des städtischen Zuschusses (...) schlägt hohe Wellen. 42 Protestschreiben aus ganz Deutschland sind nach Auskunft der kulturpolitischen Sprecherin der SPD-Fraktion, Beate Vilhjalmsson, inzwischen bei der Stadt eingegangen. (...) Im Gegensatz zu anderen Literaturzeitschriften sei Am Erker dem Herkunftsort Münster verbunden und gelte als "die Literaturzeitschrift aus Münster", so die SPD-Kulturexpertin. Für relativ wenig städtisches Geld - 2000 Euro - mache die Zeitung im ganzen Land Image-Werbung für Münster. Wie alle Publikationen dieser Art sei sie trotz des ehremamtlichen Einsatzes der Produzenten ohne einen Zuschuss nicht lebensfähig. "Hier verspielt die Stadt ohne Not das Renommee einer Kulturstadt, auf das bei der Bewerbung zur Kulturhauptstadt so viel Wert gelegt wurde", kritisiert Vilhjalmsson, die kaum noch Hoffnung hat, dass die Ratsmehrheit ihre Entscheidung revidiert.

N.N., Münstersche Zeitung, 4.4.2006
 

Donnerstagabend, Studiobühne der Uni Münster. Joachim Feldmann, ehrenamtlicher Redakteur bei der Literaturzeitschrift Am Erker, stellt drei junge Schriftsteller vor, die sich bis vor einem halben Jahr noch gar nicht kannten. Dann aber kam das WN-Projekt "Elternalarm - Münsters Studierende bekommen Besuch" und der in diesem Zusammenhang vom Erker und der Uni Münster ausgelobte Kurzgeschichtenwettbewerb. Stefan Tetzlaff sowie die 23-jährige Germanistin Ina Brauckhoff und der 25-jährige Politikwissenschaftler Hendrik Steinkuhl sind die Gewinner. Ihr Preis unter anderem: Der Abdruck ihrer Siegergeschichten im neuen Erker-Heft unter dem Titel "Geschichten von den Eltern". (...) Überhaupt haben alle drei Autoren ein sehr positives Elternbild. Steinkuhl appelliert sogar an alle Väter und Mütter: Beugt euch nicht dem Jugendwahn, biedert euch nicht den Kindern an! Ein Satz, der einem Vertreter der 68-er Generation nie über die Lippen käme.

Klaus Baumeister, Westfälische Nachrichten, 5.5.2006
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Münsters renommierte Literaturzeitschrift Am Erker schöpft neue Hoffnung. Zwar hat die Stadt ihren ohnehin bescheidenen Jahreszuschuss von 2000 Euro gestrichen. Aber das Kulturamt will den Erker offenbar weiterhin unterstützen - möglicherweise über Anzeigen oder mit Projektfördermitteln. Das teilte Mitherausgeber Joachim Feldmann gestern mit. "Geschichten von den Eltern" lautet der Titel der aktuellen, sehr lesenswerten Ausgabe (Nr. 51, € 7,50). Schnell machen die Kurzgeschichten klar: Das Schreckensbild von den autoritären, altmodischen Eltern, die alles verbieten, ist passé. Reibungsflächen zwischen Jung und Alt liegen heute an anderen Stellen.

Manuel Jennen, Münstersche Zeitung, 23.5.2006

 

Geradezu liebevoll ist die Geschichte "Papa was a Rolling Stone" von Daniel Klaus über einen Papa, dessen Zwischenruf auf einem Live-Album der Rolling Stones verewigt ist; in Steffen Royes "Nichts ist vorbereitet" löst ein wiedergefundenes Foto, das die Mutter des Ich-Erzählers in einer intimen Situation mit einem fremden Mann zeigt, eine nicht mehr zu beseitigende Irritation aus; in "Geschichte mit meinem Vater" von Ralf Junkerjürgen geht es im Schweinsgalopp durch die Fernsehseriengeschichte. Die Geschichte von Matthias Kehle "Diaabend" ist mehr als eine unterhaltsame Reminiszenz an eine frühe erotische Obsession (das Objekt der Sehnsucht ist ein unbekanntes Mädchen auf einem Diafoto), es wird auch etwas spürbar von der Autonomie kindlicher Vorstellungskraft, die sich den Eltern nicht mitteilen will und wohl auch nicht kann. Es stehen viele bemerkenswerte Kurzgeschichten in diesem Band, der einmal mehr beweist, dass an literarischen Talenten im deutschen Sprachraum kein Mangel ist. Stellt sich nur die Frage, ob sich auch genügend Publikum findet, das dies zu schätzen weiß.

Peter Kohl, Klappe auf, Karlsruhe, Juni 2006
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"Wir haben selten so viele und vor allem so viele gute Einsendungen gehabt." Für Joachim Feldmann (...) ist das aktuelle Heft Nr. 51 ein Glücksgriff in harten Zeiten. Denn just zu dem Zeitpunkt, als die Stadt Münster den ohnehin knapp bemessenen Zuschuss in Höhe von jährlich 2000 Euro für die Zeitschrift gestrichen hat, präsentiert das Erker-Team ein außergewöhnlich starkes Heft. (...) Literarische "Abrechnungen" mit einem Übervater wie bei Franz Kafka oder Hermann Hesse findet man nicht. Dafür aber ausgesprochen feinfühlige und detaillierte Beschreibungen über das Miteinander, mitunter aber auch Nebeneinander der Generationen. Köstlich ist zum Beispiel die Schilderung des Berliner Autors Daniel Klaus über einen (oder seinen?) Vater, dem ein "ungewöhnliches One-Hit-Wunder" gelungen ist. Bei einem Konzert der Rolling Stones rief er seinen Idolen in einem Moment der Stille etwas zu - und just dieses Konzert (mit Zwischenruf) wurde millionenfach als Live-LP verkauft. Wunderschön auch die Kurzgeschichte "Nichts ist vorbereitet" des Dresdners Steffen Roye. Der Ich-Erzähler verwaltet den Nachlass seiner verstorbenen Eltern und findet dabei ein Foto, das einen (ihm unbekannten) Mann zeigt, der seine Mutter liebevoll in den Arm nimmt.(...) Das 136 Seiten starke Heft enthält auch drei eindrucksvolle Kurzgeschichten der münsterischen Studenten Stefan Tetzlaff, Ina Brauckhoff und Hendrik Steinkuhl. (...) Jüngst gab es ein herzerfrischendes Wiedersehen mit dem Trio auf der Studiobühne anlässlich einer Lesung. Fernab aller Klischees diskutierten rund 50 Studierende mit den Autoren. Anschließend meinte Joachim Feldmann (immerhin Jahrgang 1958): "Das baut einen so richtig wieder auf."

Klaus Baumeister, Westfälische Nachrichten, 1.6.2006

 

Der Blick auf vergilbte Fotos, die Erinnerung an frühere TV-Serien und endlos lange Diavorführungen, der Nachgeschmack einstiger Essgewohnheiten - sie rufen Episoden aus der Kindheit im Schatten des Vaters, der Mutter wach. "Geschichten von den Eltern" haben jüngere Autorinnen und Autoren für die Zeitschrift Am Erker geschrieben und dem strapazierten Thema bemerkenswerte Spielarten entlockt. Sandra Niermeyer rückt eine Tochter ins Blickfeld, die problemlos mit zwei Vätern aufwächst, jedoch mit ihrer männersüchtigen Mutter nicht zurechtkommt. Boshaft, messerscharf ironisch deutet sie die Rache an, nachdem Mama, frei von Gewissensbissen, sogar den Freund der Tochter vernascht hat. Ein Vater namens Hermann ist für den Sohn in Michael Esders' hintersinniger Geschichte einfach der "Herrmann", eine übermächtige Gestalt, die im Teutoburger Wald sogar ein Denkmal besitzt, wie der Knabe annimmt. Erst allmählich rückt er aus dem väterlichen Bannkreis weg und entdeckt die Lüge als Bastion gegenüber dem "Herrmann-Blick". Den Ausschnitt eines längeren Textes mit Reportagecharakter stellt der 1962 geborene Andreas Heckmann vor. Er spricht von der "verpassten Moderne" seiner Eltern in ihrem "individuellen Käfig" eines 1960 erbauten Vorstadthauses, während die in Polen lebenden Schwiegereltern am politischen Aufbruch teilgenommen und aktive Zeitgenossenschaft praktiziert haben.

Beatrice Eichmann-Leutenegger, Neue Zürcher Zeitung, 17.6.2006
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Erst vor kurzem erschien die fünfzigste Ausgabe von Am Erker zum Thema "Literarisches Scheitern" und bot wie gewohnt eine Mischung von Gedichten und Erzählungen neuer Stimmen und namhafter, oft junger und bereits seit längerem zum Autorenstamm zählender Schriftsteller (Tanja Dückers, Marcus Jensen, Markus Orths, David Wagner). Auch wenn Am Erker äußerlich an das in Essen beheimatete exzellente Literaturmagazin Schreibheft erinnert, fehlt Am Erker jede Form von Elitismus, wofür schon die regelmäßig im Heft abgedruckten, schülerzeitungshaften Cartoons von VerstAnd (Andreas Verstappen) sorgen. Die respektlose Haltung setzt sich im umfangreichen Rezensionsteil fort, der in der Regel ein Drittel einer Ausgabe füllt. Die Bücherschau von Am Erker kümmert sich wenig um Verlags- und Autorennamen, deckt ein enormes Spektrum der deutschen Literaturproduktion ab und macht Am Erker für viele Leser und Literaturschaffende unverzichtbar.

Marc Degens, Kultur & Gespenster Nr. 1, Sommer 2006
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Am Erker war auch der Anlass für Markus Orths' Münster-Visite am Montagabend, denn in dieser Woche erscheint die 52. Ausgabe der traditionsreichen Zeitschrift für Literatur mit dem Titel "Schnelles Geld". "Aufgrund städtischer Sparmaßnahmen, von denen wir betroffen waren, lag der Titel nah", erklärt Mitherausgeber Joachim Feldmann. Doch die Erker-Zukunft ist vorerst gesichert. Joachim Herbst hat die Zeitschrift unter die Vertriebs-Fittiche seines Daedalus-Verlages genommen und der Deutsche Literaturfonds die Arbeit von Feldmann und Kollegen als förderungswürdig anerkannt. Markus Orths ist in "Schnelles Geld" mit der Geschichte "Der schwarze Koffer" vertreten.

Frank Zimmermann, Westfälische Nachrichten, 22.11.2006

 

Leider muss konstatiert werden, dass kaum ein Beitrag so richtig spannend, literarisch berauschend, aufklärend oder auch nur unterhaltend wäre. Fast alle sind literarisch auf keinem besonders hohen Niveau. Manche sind solide erzählte Stories, aber kaum einmal springt irgendein Funke über. Es gibt, mit ganz wenigen Ausnahmen, keine Überraschungen, keine besonders pfiffigen Schlüsse, keine psychologisch interessanten Konstellationen. Und leider ist einiges literarisch sogar so misslungen, derart schlecht geschrieben, dass man es nur aus reiner Pflichterfüllung zu Ende gelesen hat: Viele, allzu viele Formulierungen sind so steif, umständlich oder abgelutscht, dass es fast schon schmerzt (...). Ganz selten einmal ist eine Geschichte dabei, die von vorne bis hinten auch sprachlich stimmt, die nicht langweilig oder aufgesetzt oder abgedroschen wirkt. Wie kommt das nur? Geben sich die Autoren keine Mühe für Geschichten?

Georg Patzer (literaturkritik.de, 29. November 2006)
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Georg Klein, Burkhard Spinnen, Dieter M. Gräf und viele andere erschienen zuerst hier. (...) Merkmal der Zeitschrift ist vor allem die Vorliebe für kurze, lakonische, skurril akzentuierte, den Alltag mikroskopierende Prosa. (...) In Am Erker werden Autoren nicht mit Fotostrecken vorgestellt, und wir erfahren auch nicht, welcher Autor einen Hund, eine Schildkröte, einen gleichgeschlechtlichen Partner oder einen Zweitwohnsitz in Italien hat. Dafür findet man gute Kurzprosa, ausführliche Autoreninterviews, ein paar Comics und einen Rezensionsteil, in dem der übliche salbungsvolle Feuilletontenor auf kluge und witzige Weise konterkariert wird. Viele literarische Modebegriffe und Hypes der vergangenen Jahre hat die Zeitschrift geflissentlich ignoriert. (...) Natürlich wollen sich die Macher gegenüber den vielen anderen Zeitschriftenprojekten abgrenzen: "Die haben ein richtiges Büro, eine Sekretärin, ein Marketingkonzept und eine ordentliche Förderung im Hintergrund", meint Herausgeber Feldmann. "Die Hefte sehen oft wirklich toll aus und haben ein super Design. Aber eigentlich mag ich das gar nicht, wenn die Texte nur noch so in Bilder eingebaut werden." (...) Immerhin ist Am Erker im Laufe dreier Jahrzehnte ein seltener Spagat geglückt: immer professioneller zu werden, ohne dabei in eintönige Langeweile zu geraten.

Tanja Dückers, taz, 29.11.2007
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Lässt sich freien Kopfes ein Jubiläum feiern, wenn die Zukunft ungewiss ist? Joachim Feldmann bejaht ohne zu zögern. Seine Zeitschrift Am Erker ist 30 Jahre alt geworden. (...) "Was ich am wenigsten gerne mache, ist Geld akquirieren", sagt Feldmann. Was er lieber macht, ist die Erker-Autoren in den Mittelpunkt zu stellen. Im Erker publizierten Autoren, die später vielfach gefeiert wurden. Dr. Burkhard Spinnen, einer der bekanntesten Schriftsteller Münsters, veröffentlichte seine "Silberfische" zuerst im Erker. (...) Der aktuelle Erker wirft die Frage nach "Provinzliteratur" auf. Wenn Andreas Heckmann, Schriftsteller aus München mit Wurzeln in Oldenburg, den "Vogelbeerenentsafter" verliest, wissen Münsterländer mit den Beschreibungen der ländlichen Gegenden wahrlich etwas anzufangen. (...) "Selbstverständlich ist auch Goethes Werther Provinzliteratur", sagte Dr. Gerald Funk in seiner Laudatio. Die "Hippiematte", ließ die erkrankte Tanja Dückers per Zeitungsartikel mitteilen, habe die Literaturzeitschrift abgelegt. Vorbei die Zeiten, als Feldmann mit Gleichgesinnten nächtens durch Bars zog, um den Erker anzupreisen. Die Professionalität indes habe der durchweg exzellenten Prosa nie geschadet.

Florian Schröder, Westfälische Nachrichten, 1.12.2007

 

Für Burkhard Spinnen war es "der große Aufbruch", als 1989 seine erste Kurzgeschichte in Münsters Literaturzeitschrift Am Erker erschien. Kurz darauf folgten erste Verlagskontakte. "Es führte kein Weg am Erker vorbei", erinnert sich der Autor. Anfang dreißig war Spinnen, als er in den Literaturbetrieb einstieg. Jetzt hat auch der Erker drei Jahrzehnte auf dem Dach. Mitbegründer Joachim Feldmann zeigt sich bei der Jubiläumsveranstaltung im Franz-Hitze-Haus vom Erfolg des Blattes begeistert. "Wenn mir das einer vor fünfzehn Jahren gesagt hätte", verriet Feldmann, "hätte ich geantwortet: Du spinnst." (...) Tanja Dückers war krankheitsbedingt zwar verhindert, aber Marcus Jensen, Burkhard Spinnen und der langjährige Erker-Mitstreiter Andreas Heckmann sind zur Geburtstagslesung gekommen, bei der Jensens satirische Erinnerungen an die Bundeswehrzeit die Zuhörer zum Lachen bringen. Spinnen zeigt sich von der Geschichte inspiriert und fordert nicht weniger ironisch einen Demonstrationszug aller ehemaligen Wehrdienstler quer durch Berlin. Mit der gleichen Leidenschaft erzählt er dann vom Protagonisten seines aktuellen Romans Mehrkampf. Dessen Affinität zum Tischfußball wird in Spinnens Beschreibung spürbar, schiebt sich fast schon leibhaftig vor die Augen des Zuhörers, als greife man selbst zu den Stangen mit den Trikot-bekleideten Holzfiguren. Ein fulminanter Abschluss einer großen Feier.

Heiko Ostendorf, Münstersche Zeitung, 1.12.2007

 

Bis heute sind es solche phantastischen, skurril verfremdungswilligen und mit bizarren Pointen hakenschlagenden Kurzgeschichten, die das literarische Fundament von Am Erker bilden. Diesmal, in Heft 54, hat man die "Provinz" zum Themenschwerpunkt erhoben, jene Provinz, die, wie das Heinrich-Heine-Motto im Eingang des Heftes andeutet, das eigentliche Kraftzentrum der modernen Literatur darstellt. An Person und Werk des Schriftstellers Henning Ahrens werden die unterschiedlichen Produktionsformen von Schriftstellern in der Stadt und auf dem Land erörtert. Henning Ahrens, der seit 2004 drei viel diskutierte Romane vorgelegt hat, wird hier als ein ungeheuer arbeitswütiger und disziplinierter Autor kenntlich, der in fieberhafter Produktivität an aufwändigen Literaturübersetzungen arbeitet und zeitgleich seine opulenten Romane schreibt. Herzstück des Erkers ist der stets von ironischem Esprit sprühende Rezensionsteil, zu dessen großen Stärken es gehört, dass Kompetenz und Respektlosigkeit ein erfrischendes Bündnis eingehen. Der Literaturkritiker Jürgen P. Wallmann hat, wie schon in den vorangegangenen Heften, sein Archiv geöffnet und diesmal drei frühe Briefe des Schriftstellers Thomas Bernhard ans Tageslicht befördert. Jürgen P. Wallmann ist es auch, der in diesem Am-Erker-Heft eine anrührende Reminiszenz an den heute schwerkranken Dichter Walter Helmut Fritz vorlegt.

Michael Braun, Saarländischer Rundfunk, 12.12.2007
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Ganz aktuelle Stories aus dem Hinterland liefert die Literaturzeitschrift "Am Erker". In der neuen Ausgabe "Geschichten aus der Provinz" sind Gedichte, Kurzgeschichten und Essays versammelt, und alles dreht sich natürlich um die Provinz. So friedlich wie auf dem Cover der Zeitschrift, auf dem eine Kirche und ein Stoppelfeld zu sehen sind, geht es in den Geschichten jedoch nicht zu. In Martin Ebbertz' "Wie wir zweimal ein letztes Bier tranken" nutzen der Erzähler und sein bester Kumpel den Zeitunterschied zwischen Deutschland und Belgien aus (eine Stunde wegen der Sommerzeit), um zweimal die letzte Runde in den Lokalen von Halsig und Bofingen mitzumachen. Die beiden Jungs schütten Unmengen von Bier und "Asbach-Cola" in sich hinein und landen schließlich im Straßengraben, der zum Glück nicht weit von der nächsten Kneipe entfernt ist, in der es Nachschub an "Asbach-Cola" und Bier gibt. Die "Kleinstadt-Boheme" von Thomas Frahm feiert im bulgarischen Varna eine so heftige Party, dass von der frisch renovierten Wohnung der Eltern nicht mehr viel übrig bleibt: "'Das Einzige, was heil geblieben ist, ist eigentlich die Decke', sagte Borjana gegen Morgen." Leider stimmt nicht mal das, denn als die Freundinnen nach oben schauen, stellt Katja fest: "Jetzt sag nicht: Da sind Fußspuren an der Decke." An dieser Stelle endet die Geschichte - den Ärger mit den Eltern erspart uns die Erzählung. Ganz so exzessiv geht es auf dem Land vielleicht nicht immer zu, zumindest war es in Pritzwalk nicht immer so. Aber wer nach dem Lesen dieser Geschichten immer noch denkt, Landeier seien langweilig, dem kann einfach gar nicht mehr geholfen werden.

Magdalena Taube (www.du-machst.de, Anfang 2008)
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Münsters Erker stürzt ab. Nein, die Literaturzeitschrift ist aktuell nicht von Schließung bedroht. Sie hat sich aber das Thema "Höhenflieger und Bruchpiloten" auf die Fahnen ihrer 56. Ausgabe geschrieben. Und das ist eine ziemlich blutige Angelegenheit. Als Rezensent traut man sich allerdings an das Heft kaum heran, denn gleich in der ersten Geschichte macht uns Martin Ebbertz die verheerenden Folgen schlechter Kritik bewusst. Ein aufstrebender Winzer stürzt sich von der Brücke, weil sein Wein eine mittelmäßige Bewertung bekommen hat. Was aber nur daran lag, dass der Hund des Kritikers gepupst hatte und der Korkgeruch den Geschmack verdarb. Eine böse Pointe, die in einem ziemlich weit hergeholten Szenario (ein Gespräch im Flugzeug nach dem Tod des Winzers) aufgerollt wird. Geradliniger geht Rolf Grimminger in seiner Geschichte "Artisten stürzen fliegend" zu Werke. Er erzählt die Geschichte von Otto Wittke, einem jungen Mann, der sich 1905 einem Zirkus anschließt, ein zwiespältiges amouröses Abenteuer erlebt, im Ersten Weltkrieg Flieger wird und auf eine Katastrophe zusteuert. Der Autor packt hochbrisante Gefühle und Ereignisse in lange, ruhige, lakonische Sätze - Tod und Schrecken kommen hier mit frappierender Beiläufigkeit daher. Gerade das hält den Leser bei der Stange. Scharf beobachtet sind viele der Gedichte im neuen Erker. Ulrich Horstmann nähert sich dem Ende mit sprachlicher Spitzfindigkeit: Warum denn immer in der Zeitung stünde, jemand habe in Lebensgefahr "geschwebt", obwohl sich der Betroffene doch "ans Leben krallt und klammert mit Harpyienklauen". Marion Gay ist fasziniert von der Fliege, die auf ihrem Papier und Bildschirm herumkrabbelt und kleine schwarze Ausscheidungen hinterlässt - die "Saboteurin des Dichters ... setzt ihren Punkt noch vor dem ersten Satz". Die Fliegenklatsche beendet das Gedicht. Und Thomas Steiner schildert im Telegrammstil, wie sein Opa ihm einen ganz tollen Drachen gebaut hat, der dann nicht geflogen ist. Die Abstürze des Erkers sind dicht an der Realität.

Manuel Jennen, Münstersche Zeitung, 2.2.2009
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Effizient, bescheiden und immer auf der geistigen Höhe der Zeit - so lässt sich auch das Erfolgsrezept der langlebigsten Literaturzeitschriften beschreiben. (...) Nur die wenigsten dieser Destillate idealistischen Herzbluts bestehen jedoch länger als zehn Jahre. Auf Einladung des Germanisten Rolf Grimminger erhielten nun einige der ältesten und verdientesten "Maulwürfe" Gelegenheit, sich im Münchner Literaturhaus zu präsentieren. (...) An lange Jahre mit dem Plastikkarbonband in der Schreibmaschine erinnerte sich Joachim Feldmann von der erquickend frechen Münsteraner Revue Am Erker. "Wahrscheinlich wollten wir die Welt ändern", meinte er im Rückblick auf öffentliche Redaktionssitzungen, bei denen der Schwall subversiver Alltagslyrik nicht mehr enden wollte. Nach wie vor führt Am Erker, mit dem Hermann-Hesse-Preis ausgezeichnet, "begeisterte und gebrochene Enthusiasten des Trotzdem zusammen", wie Stammautor Andreas Heckmann es ausdrückte. Die Kolumne "Fischwickel", ein satirischer Rundumschlag auf den Literaturbetrieb, verspricht jedes Mal einen Hochgenuss. Die Literaturzeitschriften betreiben nicht nur Autorenförderung, sie sind auch ein verlässliches Gegengift gegen Kommerz und Beliebigkeit. Je mehr Leser das erkennen, desto besser gelingt die Unterwanderung des Mainstream.

Katrin Hillgruber, Frankfurter Rundschau, 9.2.2009
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Die 57. Ausgabe der münsterschen Zeitschrift für Literatur stellt "Fremde Länder, fremde Sitten" vor. Das diesmal fast 200 Seiten dicke Buch versammelt Erzählungen und Essays, Cartoons und Gedichte, Interviews und Buchkritiken. Es ist genau das Richtige für Urlaubsheimkehrer und Urlaubsvorbereiter. So unterschiedlich die Geschichten auch sind, es eint sie die gewohnt hohe Qualität. Zum Erker kann man immer greifen. Die Redaktion sortiert versiert aus und hat ein gutes Gespür gerade für absonderliche, seltsame und fantastische Geschichten. (...) Anna Serafin beschreibt, wie sich eine junge, studierte, ausländische Vegetarierin in München Geld verdient, indem sie bei einem Metzger unterschiedlich farbige Wurstscheiben dekorativ zusammenlegt. Thomas Glatz' indischer Reisebericht mit dem Titel "Arbeitselefanten haben Mittwochnachmittag frei, aber das glaubt mir ohnehin kein Mensch" ist so amüsant, dass man gerne mehr gelesen hätte.

Sabine Müller, Münstersche Zeitung, 26.8.2009
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